SWANS - To Be Kind

Kategorie: CD-Reviews | Genre: Noise, Rock | Heft: eclipsed Nr. 160 / 5-2014, Jahrgang 2014 | VÖ-Jahr: 2014 | Wertung: 9/10 | Label: Mute | Autor: NM


Das kreative Potenzial, das die Swans seit ihrer Neugründung vor vier Jahren an den Tag legen, ist und bleibt beispiellos. Auf ihrem Album „The Seer“ von 2012 zelebrierten sie in extremen Songlängen eine einmalige orchestrale Symbiose aus Rockriffs, Folkpartikeln, Geräuschcollagen und viel Krach. Man meinte, das Urwesen der Welt zu vernehmen. Wer die Band um Sänger/Gitarrist Michael Gira seitdem auf einem ihrer seltenen Gigs in Europa erlebte, wurde Teil einer beschwörenden Messe für absolute Soundzumutungen, die sich mit dem schönen Schein des Kontemplativen umgeben. Auf ihrem dritten Album seit der Wiedervereinigung knüpfen die New Yorker an diese Tugenden an. Dennoch nimmt „To Be Kind“ eine andere Richtung als das Vorgängeralbum. War „The Seer“ bei aller Präzision ein einziger Exzess aus Klanggegensätzen mit deutlichen Anzeichen von Größenwahn, kommt „To Be Kind“ eine Spur geerdeter daher. Dass das der verstörenden Intensität der Kompositionen keinerlei Abbruch tut, unterstreicht die besondere Klasse dieser Band, die Anfang der Achtzigerjahre als No-Wave-Act gestartet war. Wenn sich an einigen Stellen gar Countryanflüge zeigen, wird es fast schon kuschelig. Aber auch dann bleibt die abgründige Seite der Swans, die ohne Jarboe antreten, dafür aber St. Vincent als Gastsängerin vorweisen können, präsent. Wie überhaupt das gesamte Album ein einziger Abgrund ist. Für einen Gesamteindruck sei Novizen die 34-Minuten-Nummer „Bring The Sun/Toussaint L’Ouverture Part One“ empfohlen. Allerdings genügt schon der Eröffnungstrack „Screenshot“: Wie ein einsamer Rufer in der Wüste gniedelt die Gitarre vor sich hin, bis sich zum Endlosakkord immer mehr Stimmen gesellen und das Ganze als hypnotischer Ritt davontrabt. Auf „To Be Kind“ bauen die Swans ihren Hörern so manche Brücke. Wer sie überschreitet, ist verloren.

Top-Track: Bring The Sun/Toussaint L’Ouverture Part One

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