MARILLION - Das unbeabsichtigte Meisterwerk

26. März 2018

Marillion

Nach zuletzt „Misplaced Childhood“ erfährt jetzt auch Marillions Opus „Brave“ aus dem Jahr 1994 eine Neuveröffentlichung: als luxuriöses, randvolles Boxset mitsamt Steven-Wilson-Remixes, einem Konzertmitschnitt sowie einer neuen Dokumentation. eclipsed sprach anlässlich dessen exklusiv mit Steve Hogarth, Steve Rothery, Mark Kelly und Ian Mosley über die Entstehung eines düsteren Meisterwerks, das auch nach vierundzwanzig Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.

„Holidays In Eden“ hatte niemanden so richtig zufriedengestellt. Die Band hatte sich dem Druck der Plattenfirma gebeugt und mit dem poporientierten Produzenten Chris Neil eine eingängige Platte aufgenommen, die nicht nur von den Marillion-Fans zwiespältig aufgenommen wurde. Auch ließ sie die neuformierte Gruppe einfach nicht zusammenwachsen. Schlagzeuger Ian Mosley erinnert sich: „Wir hatten ‚Seasons End‘ mit Material bestückt, das größtenteils bereits vorhanden gewesen war, sodass wir, als es an ‚Holidays In Eden‘ ging, eine leere Leinwand vor uns hatten, von der wir nicht wussten, wie wir sie bemalen sollten. Da ließen wir uns auch viel dreinreden. Ursprünglich hatte ja Chris Kimsey produzieren sollen, aber der hatte einen Job bei den Rolling Stones. Mit Chris Neil wurde es einfach nicht das, was wir uns erhofft hatten, daher waren wir danach an einem Scheidepunkt.“

Mit Nick Mander hatte EMI einen neuen A&R-Mann auf die Band angesetzt, und der hatte klare Vorgaben: Es sollte möglichst kostengünstig sein und schnellgehen. Im Gespräch war ein ruppiges Album mit Ecken, Kanten und vor allem kurzen Songs, um auf der Grunge-Welle mitzuschwimmen. „Mander konnte mit uns nichts anfangen“, berichtet Keyboarder Mark Kelly. „Er arbeitete gerade mit der Raveband EMF, das war eher seine Musik. Ich schätze, er plante, uns in eine ähnliche Richtung zu lenken.“

Willkommen im Team, Dave Meegan

Mander schlug der Band Dave Meegan als Produzent vor. Der kannte Marillion bereits, hatte er doch als junger Soundtechniker bei den Aufnahmen zu „Fugazi“ mitgearbeitet. Seitdem hatte er sich bei Trevor Horns Poplabel ZTT einen Namen gemacht – weswegen er von Mander fälschlicherweise als Popproduzent angesehen wurde. Für die Band war es eine glückliche Fügung: Meegan erwies sich als treibender Motor hinter dem komplexen Progwerk, als das sich „Brave“ während der Sessions herauskristallisieren sollte. „Es war Manders größter Fehler, Dave Meegan zu engagieren“, lacht Mosley, „denn er war es, der dieses Projekt dann konsequent durchziehen wollte, ohne auf Budget oder die verstreichende Zeit zu achten.“

Ende 1992 mietete sich die Band im Château de Marouatte in einer dünn besiedelten Gegend im Südwesten Frankreichs ein. Das Schloss aus dem vierzehnten Jahrhundert war im Besitz von Miles Copeland, Chef von Marillions US-Label I.R.S. und Bruder von Police-Schlagzeuger Stewart Copeland. Von dem Aufenthalt dort versprachen sich die Musiker die nötige Ruhe für die Aufnahmen. „Du musst dir das so vorstellen“, hebt Gitarrist Steve Rothery an, „es sah nicht nur aus wie ein Schloss aus einem Schauerroman, es hatte auch tatsächlich eine recht blutige Geschichte. Das Skurrilste allerdings war, dass Copeland Leute in ganz Europa herumschickte, damit sie ihm alte Reliquien kauften, ziemlich gruseliges Zeug, mit dem er die Räume ausstattete.“

Die Band hatte darauf verzichtet, den Vorschuss für einen Studiobesuch auszugeben und sich lieber digitales Equipment gekauft, die Grundlage ihres eigenen, gerade entstehenden Studios, des „Racket Club“. Dieses schleppten sie dann komplett nach Frankreich. „Dort war ja nichts“, so Kelly. „Es war nur ein altes Gebäude mit leeren Räumen. Andererseits hatten wir das Equipment zuhause noch nicht eingerichtet und hätten da auch nicht aufnehmen können.“

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