30 Jahre GUNS N’ ROSES - Größe und Wahn

23. April 2015

Guns N´ Roses

Nähert man sich dieser Band aus dem vermeintlich sicheren Abstand von einem Vierteljahrhundert – so lange liegen die großen Erfolge von Guns N’ Roses zurück –, ergeht es einem, als würde man am Strand, den gigantischen Kadaver eines Wales entdecken: Obwohl man weiß, dass das gewaltige Säugetier mausetot ist, lässt man allergrößte Vorsicht walten aus lauter Angst, das Ungetüm könnte sich womöglich doch noch bewegen und einem mit einer seiner gewaltigen Schwanzflossen den Garaus machen. Guns N’ Roses jedenfalls waren, um im Bild zu bleiben, der Blauwal unter den Rockbands. Und sie waren unberechenbar. Wenn nicht völlig irre. Dazu größenwahnsinnig – allen voran ihr Frontmann Axl Rose. Und Bands, deren Gitarristen, so wie Izzy Stradlin und Saul „Slash“ Hudson, unbedingt Keith Richards sein wollen, sind ohnehin nicht gleich die schlechtesten. All dies machte Guns N’ Roses, neben einigen großartigen Platten, zur Legende.

Die GNR-Saga beginnt im Jahr 1985 in Los Angeles, seinerzeit Welthauptstadt des Rock’n’Roll. Die Lage dort ist allerdings trostlos. Boy George und seine Kohorten beherrschen die Charts, Punk is dead, und Disco wummert durch die Tanzpaläste. Während im Vereinigten Königreich immerhin die New Wave of British Heavy Metal für frischen Wind sorgt, macht sich der gute alte Rock in den USA mehr oder weniger lächerlich. Bands wie Bon Jovi, Great White, Dokken oder Poison ersticken seine subversive Energie in albern engen Spandexhosen, grotesk toupierten Monstermähnen und hohlem Posertum. Musikalisch haben sie dabei selten mehr zu bieten als eine auf Comicniveau gedimmte Glam-Metal-Variante mit protzigen Gitarrenriffs, Bombastschlagzeug und hysterischen Falsettarien. Mötley Crüe, die Vorreiter des Genres, benehmen sich dabei wenigstens komplett durchgeknallt, womit sie einen veritablen Trash-Faktor vorweisen können. Und Van Halen sind viel zu tief im Blues geerdet, um ein gewisses Niveau zu unterschreiten – sie bilden die Ausnahme. Bis Guns N’ Roses auftauchen.

Verzichten wir an dieser Stelle darauf, noch einmal die Chronologie herunterzubeten, und beschränken uns auf die Eckpunkte des kometenhaften Aufstiegs: 1987 erscheint das Debütalbum „Appetite For Destruction“. Ein Jahr lang bleibt es in den Läden liegen, dann endlich explodiert es im Windschatten der Erfolgssingles „Sweet Child O’ Mine“ und „Paradise City“. Am Ende sind 28 Millionen Exemplare verkauft, und die MTV-Generation hat ihre neuen Superstars. Endlich klingt Rock wieder hart und böse, sleazy und sexy, sprich: großartig. Als das Jahrzehnt zu Ende geht, sind GNR das Maß der Dinge.

Größtes Rockspektakel des Universums

Keine zwei Jahre später aber ist das als größtes Showspektakel des Universums angelegte Unternehmen so gut wie tot. Spätestens in der zweiten Septemberwoche des Jahres 1991 ist das Schicksal von Rose, Slash & Co. besiegelt, sang- und klanglos wird die Band im Orkus der Popgeschichte verschwinden. Paradoxerweise in dem Moment, als Guns N’ Roses im Begriff sind, ihren größten Triumph zu feiern. Am 17. September erscheint mit „Use Your Illusion I & II“, veröffentlicht als zwei separate Alben, das dritte Studiowerk. Bereits in den Monaten zuvor haben GNR ihren Ruf als heißester Live-Act der Szene zementiert, etwa als sie in Rio de Janeiro vor 140.000 Menschen auftreten. Die „Use Your Illusion“-Welttournee beginnt im Mai in den USA, bis zum Sommer 1993 wird die Gruppe 192 Konzerte absolviert haben. „Use Your Illusion I & II“ mausert sich zur Goldgrube, belegt gleichzeitig Platz eins und zwei der US-Charts. Zwei Singles gelangen in die US-Top-Ten, vier in die englische Bestenliste. Beide Alben zusammen verkaufen sich unglaubliche 36 Millionen Mal.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 170 (Mai 2015).