ANIMAL COLLECTIVE - Gegen alle Regeln

18. Dezember 2023

Animal Collective

ANIMAL COLLECTIVE - Gegen alle Regeln

Welche Regeln auch immer in einer sich ständig verändernden Musikwelt gelten, Animal Collective geht stets einen anderen Weg. Seit fast zweieinhalb Jahrzehnten kultiviert die Gruppe aus Baltimore ihren eigenen musikalischen Garten, der stetig verändert und erweitert wird, aber gleichwohl kaum Berührungspunkte mit seiner Umgebung hat. Diese Eigenständigkeit stellt die Band, die seit 2001 aus demselben Quartett besteht, aber in wechselnden Formationen antritt, auf ihrem neuen Album „Isn’t It Now?“ erneut eindrucksvoll unter Beweis.

Sie experimentieren wie wild mit Sounds und Strukturen, und doch zeichnet sich auch ihr neues Werk wie ihr letztes Album „Time Skiffs“ durch melodischen Reichtum und Zugänglichkeit aus: „Isn’t It Now“ ist ein äußerst komplexes Gefüge aus sanfter Schönheit (vor allem in den Vokalharmonien) und kühlem Konzeptualismus. Wie bei scheuen Dschungelbewohnern üblich, meiden die vier Protagonisten weitgehend die Öffentlichkeit und beglücken uns ab und an mit ihrer puren Existenz. Damit müssen wir wohl leben. Hob die Band bei der Veröffentlichung von „Time Skiffs“ hervor, dieses könne unter der Überschrift „Minimalismus“ stehen, trifft auf „Isn’t It Now“ aber wohl das genaue Gegenteil zu: Das Kollektiv wuchert hier nur so mit Ideen, denen es freien Lauf lässt. Ein Stück wie das rund 22-minütige „Defeat“ wäre auf dem Vorgänger wohl nicht denkbar gewesen.

Dennoch bilden beide eine Einheit, denn die nervöse Dichte von Alben wie „Centipede Hz“ (2012) scheint damit endgültig ad acta gelegt. Insofern treffen einzelne Statements zum Vorgänger sicher auch auf das neue Werk zu: „Im Vergleich zu früheren Platten haben wir viel mehr Raum gelassen“, sagte Deakin alias Josh Dibb zum Beispiel. „Wir fokussieren uns auf das, was wir zu viert live tun können, und limitieren unsere Möglichkeiten. Das führt dazu, dass wir uns auf viel einfachere Dinge verlegen. Im Unterschied zu früheren Platten haben wir viel über Bord geworfen, statt immer mehr hinzuzufügen.“ Es mag widersprüchlich erscheinen, aber gerade infolge dieser Reduktion und Aufgeräumtheit kann sich Animal Collective auf „Isn’t It Now“ in ungeahnte Sphären ausdehnen. Besagtes „Defeat“ klingt zum Beispiel wie der experimentelle Beach-Boys-Song, den sich Brian Wilson und Co. 1966 noch nicht zu produzieren getraut haben, weil es die großen Prog-Alben der 70er noch nicht gab.

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