Dreizehn Jahre sind seit der Veröffentlichung von Arjen Anthony Lucassens letztem echten Soloalbum „Lost In The New Real“ vergangen – eine Zeitspanne, in der er vor allem mit Ayreon zu neuen Höhenflügen ansetzte. Nun erschien „Songs No One Will Hear“ – ein Konzeptalbum, über dem die Frage steht: „Was würden die Menschen tun, wenn sie aufgrund eines Asteroideneinschlags nur noch fünf Monate zu leben hätten?“ Die Antworten sind ebenso vielfältig wie die musikalische Bandbreite.
eclipsed: Hallo, Arjen, schön, dich wiederzusehen! Entschuldigung, Sir Arjen natürlich!
Arjen Lucassen: (lacht) Ja, das ist schon seltsam. Ich erinnere mich an den Tag, er war schön und schrecklich zugleich! Ich saß in meinem Studio und arbeitete. Es klingelte, und ich erwartete ein Päckchen, also ging ich nichtsahnend zur Tür. Aber das war der sonderbarste Briefträger, den ich je gesehen hatte – mit einer dicken Silberkette um den Hals und um ihn herum viele Leute. Ich kapierte das überhaupt nicht. Ich stand da in meinem alten T-Shirt, und der Herr legte mir eine Medaille um. Es ist übrigens der Orden vom Niederländischen Löwen, den bekommen normalerweise nur Wissenschaftler und Menschen, die wichtige Dinge vollbringen – und nun ich. (lacht)
eclipsed: Wann kam dir die Idee, ein neues Soloalbum statt beispielsweise eines Ayreon- oder Star-One-Albums in Angriff zu nehmen?
Lucassen: Seit dem letzten Ayreon-Album, das vor fünf Jahren erschien, habe ich an vielen Nebenprojekten gearbeitet, an Plan Nine beispielsweise oder dem Album von Simone Simons. Danach habe ich mich leer gefühlt, hatte keine Inspiration mehr. Da entschloss ich mich, etwas nur für mich zu machen, etwas, das ich einfach organisch entstehen lassen konnte, ohne über andere Sänger oder Musiker nachzudenken. Aber ich wollte, dass es ein Konzeptalbum würde. Beim Anhören meiner Songs merkte ich, dass sie sehr eklektisch sind: Es gibt sehr fröhliche und sehr traurige, bombastische und intime Nummern. Ich brauchte also ein Konzept, das all diese Emotionen abbildet. Und da kam mir die Idee: „Was würdest du tun, wenn du nur noch fünf Monate zu leben hättest?“ Jeder würde anders reagieren: Manche würden die Vorhänge zuziehen und alles nicht wahrhaben wollen, andere einfach Party machen, manche würden versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen, und so weiter. Die Frage brachte so viele Ideen hervor.
eclipsed: Eines der emotionalsten Stücke auf dem Album ist „We’ll Never Know“, ein Duett mit Floor Jansen.
Lucassen: Das ist ein sehr trauriger Song. Er handelt von einem sich liebenden Pärchen, das eine Tochter erwartet, die aufgrund des Asteroideneinschlags nie geboren werden wird. Kurzzeitig war mir die Geschichte sogar fast zu traurig, denn es gibt viele Menschen, die ein Kind verloren haben, und ich wollte nicht, dass sie dadurch Schmerz empfinden, wollte damit sozusagen keine Menschen manipulieren. Ich dachte: „Nur Floor Jansen kann diesen Song richtig ‚verkaufen‘.“ Also kontaktierte ich sie und war sehr froh, als sie zusagte, denn sie ist natürlich sehr beschäftigt. Und sie ist übrigens selbst Mutter.
