COLIN EDWIN - Der lachende Vierte

28. Juni 2022

Colin Edwin Porcupine Tree

COLIN EDWIN - Der lachende Vierte

Der ehemalige Porcupine-Tree-Bassist COLIN EDWIN mischt bereits seit 25 Jahren noch in diversen anderen, immer wieder neuen Projekten mit. Für viele Porcupine-Tree-Fans war Colin Edwin immer der lächelnde Mann im Hintergrund, der für geschmackvolle Basslinien sorgte und ein unverzichtbarer Bestandteil der Band war. Anlässlich der Reunion seiner Ex-Kollegen möchten wir die Möglichkeit nutzen, um auf die vielen Nebenprojekte aufmerksam zu machen, bei denen der gebürtige Australier involviert war bzw. ist. Obendrein verriet uns der 51-Jährige auch, was er vom Comeback seiner drei ehemaligen Mitstreiter hält. 

eclipsed: Vor 25 Jahren hast du damit begonnen, in anderen Bands abseits von Porcupine Tree zu spielen. Die erste war Ex-Wise Heads, die du mit dem Multiinstrumentalisten Geoff Leigh gegründet hast, der einst Mitglied von Henry Cow war. Wie kam es dazu?

Colin Edwin: Ich kannte Geoff vorher nicht und wusste auch nichts über ihn. Im Sommer davor war ich in Nordafrika gewesen und hatte dort eine Gimbri erstanden, ein marokkanisches Bassinstrument mit Darmsaiten. In Marokko ist es sehr heiß und trocken, und als ich nach England zurückkehrte, ließ sich das Instrument nicht mehr stimmen. Deshalb brachte ich es in ein Geschäft in Brighton, wo ich gerade hingezogen war. Es war ein Geschäft für ethnische Musikinstrumente, und der Besitzer wusste alles über dieses Instrument, auch, wie man die Stimmprobleme beheben kann. Zufälligerweise wohnte Geoff im selben Haus wie dieser Typ, und als er sah, was dieser mit heimbrachte, sagte er: „Wem gehört das? Ich würde ihn gerne treffen!“ Daraufhin rief er mich aus heiterem Himmel an und fragte: „Wollen wir uns zu einem Jam treffen?“ Dabei brachte er mir ein paar Songs bei, die er von marokkanischen Musikern gelernt hatte. Das war ziemlich aufregend! Jeff ist ein sehr kreativer Mensch, und immer, wenn ich mich mit ihm traf, hatten wir unglaublich viele Ideen. Aber während ich zwei Ideen habe und an einer arbeite, hat Jeff zehn und verwendet manchmal gar keine davon! (schmunzelt) Das Ganze war eine gute Kombination, denn ich trug quasi dazu bei, dass sich Jeff fokussierte. Umgekehrt habe ich ebenfalls sehr von dieser Zusammenarbeit profitiert, denn er ermutigte mich oft, verschiedene Dinge mit der Gimbri auszuprobieren, auch später, als die Band nur noch aus ihm und mir bestand. Wir hatten ja im Laufe der Zeit mehrere Percussionisten, aber am Ende blieben nur Geoff, ich und ein Laptop übrig. (lacht) Darauf hatte ich anfangs gar keine Lust, aber Geoff sagte: „Mach’ dir keine Sorgen. Wir werden Gigs spielen – du, ich und der Laptop. Wir werden mit Überzeugung auftreten und das Ganze gut planen. Es wird großartig werden.“ Und er hatte Recht: Es machte sehr viel Spaß! Wir haben zwar längere Zeit nicht mehr miteinander gearbeitet, aber wir haben jede Menge unvollendetes Material, das wir fertigstellen wollen.“

eclipsed: Es ist schon elf Jahre her, dass euer letztes Album „Schemata“ erschien. Hängt die lange Pause eventuell auch damit zusammen, dass Jeff an Dystonie [eine neurologische Bewegungsstörung; Anm.] erkrankt ist? 

Edwin: Nun, für jemanden, der an solch einer kräftezehrenden Krankheit leidet, war er wirklich entschlossen, weiter zu arbeiten, und er hat sich auch nicht davon runterziehen lassen. Er hat seine Krankheit ziemlich gut in den Griff bekommen, allerdings sind seither seine Eltern gestorben, und er selbst ist weit weggezogen, weswegen wir auseinandergedriftet sind. Er hat dann auch wieder was mit einigen Henry-Cow-Musikern gemacht und in Japan gelebt. Es gab keinen Streit, und wir haben noch einiges Material, das ich mir von Zeit zu Zeit anhöre und das ziemlich gut klingt. Vielleicht stellen wir das irgendwann mal fertig – bei Geoff kann man nie wissen. 

eclipsed: Ich selbst finde den Stil der Ex-Wise Heads – diese Mischung aus World-Music-Einflüssen und dem starken Fokus auf Improvisation – sehr erfrischend. War diese Band für dich auch eine Art kreatives Ventil abseits von Porcupine Tree, um andere Stilistiken und Kulturen zu erforschen? 

Edwin: Geoff war bei allem immer sehr offen und improvisierte bei den Ex-Wise Heads sehr viel. Ich habe es immer so gesehen: Geoff ist die Solo-Stimme, und ich sorge für den Hintergrund, den Kontext. Geoff war nämlich in der Regel nicht beim Programmieren oder beim Erstellen der Backing-Tracks involviert. Vor allem in späteren Jahren gab ich ihm immer etwas, mit dem er arbeiten konnte, und dann feilten wir gemeinsam daran herum. Man könnte auch sagen: Ich sorgte für die Komposition und er für die Spontaneität. 

eclipsed: Ganz zu Beginn hattet ihr ja noch verschiedene Percussionisten und habt daher keine programmierten Parts verwendet. 

Edwin: Nein, anfangs ging es v.a. ums Jammen und um Liveauftritte. Wir hatten Themen, die wir ausarbeiteten, und auf den ersten zwei Alben, auf denen noch ein Percussionist dabei war, hört man Sachen, die wir lange geprobt und live gespielt hatten. Der Kompositionsprozess war damals ein anderer: eher wie bei einer Band, die etwas immer wieder spielt und dadurch zunehmend verfeinert. 

eclipsed: Nachdem dem vorläufigen Ende von Ex-Wise Heads hast du mit dem amerikanischen Gitarristen Jon Durant ein weiteres Duo-Projekt ins Leben gerufen, aus dem die Band Burnt Belief hervorging. In dieser Konstellation habt ihr fünf Alben aufgenommen, angefangen mit „Dance Of The Shadow Planets“ von 2011. Auch dieses Mal stand World Music im Zentrum, aber die Stücke klangen produzierter bzw. polierter und strahlten eher ein Band-Feeling aus. 

Edwin: Nun, „Dance Of The Shadow Planets“ war eigentlich noch keine richtige Kollaboration, sondern Jons Album. Ich wurde dazu eingeladen und verstand mich auf Anhieb sehr gut mit Jon. Ich ging damals für etwa eine Woche nach Amerika und wohnte zunächst einige Tage bei ihm, bevor wir bei Eiseskälte zu einem Studio in New Hampshire fuhren. Die Band bestand aus mir, dem Percussionisten Jerry Leake, der Violinistin Caryn Lin und Jon an der Gitarre. Wir nahmen alles live auf. Ungefähr ein Jahr später, als das Album bereits erschienen war, wurde das Ganze eher zu einer Zusammenarbeit, und wir schickten mehr Ideen hin und her, wollten aber dennoch alles live spielen. Bei den späteren Alben hatten wir Vinny Sabatino am Schlagzeug und noch ein paar andere Leute dabei. 

eclipsed: Am ehesten als Klassiker kann man euer Album „Burnt Belief“ (2012) bezeichnen.

Edwin: Das war eigentlich das erste Album von Burnt Belief und die erste echte Kollaboration zwischen uns. Jon und ich haben einen sehr guten Draht zueinander, und wir diskutieren auch nicht viel. Sprich: Er macht seine Sachen, und ich mache meine, und jeder versteht, was der andere tut. Jon ist kein Klassik-, Blues- oder Rockgitarrist, sondern denkt eher in Texturen. Unsere Herangehensweisen passen sehr gut zusammen. 

eclipsed: Die Musik von Burnt Belief klingt mysteriöser als die von Ex-Wise Heads, was auch am Synthesizer-Einsatz und den Soundscapes liegt.

Edwin: Ja, sie klingt atmosphärischer. Ich habe mich damals mehr mit Elektronik befasst, wobei ich neben der Rhythmus-Programmierung auch Sounds verändert habe. 

eclipsed: Euer fünftes und bis dato letztes Album heißt „Mutual Isolation“ und ist 2021 erschienen, und mittlerweile spielst du seit zehn Jahren mit Jon. Warum empfindest du die Zusammenarbeit mit ihm als so erfüllend? 

Edwin: Mit Jon ist es so, als ob wir eine Konversation haben, aber manchmal herrscht monatelang Stille. (lacht) Wir kontaktieren einander immer, wenn einer von uns eine Idee hat, die er dem anderen schickt. Gewöhnlich sind innerhalb von zwei bis drei Wochen sieben oder acht Tracks fertig. Jon arbeitet sehr schnell und ist sehr gut darin, Entscheidungen zu treffen. Daher haben wir für die Basics des letzten Albums nicht besonders lange gebraucht, was auch für die anderen Alben gilt. Wir hängen jedenfalls nicht rum! (lacht) ...

Das komplette Interview ist Teil unseres Online-Abos, siehe https://www.eclipsed.de/de/abo