Money destroys motivation - Die jüngste Veröffentlichung von ARCHIVE ist ein kompletter Neubeginn

26. Oktober 2016

Archive

Wie weit darf eine Band ins Risiko gehen? Wie viel darf sie von ihrem Markenkern preisgeben, wenn sie sich neu erfindet? Fragen, die sich aufdrängen, wenn man die aktuelle Platte von Archive hört. „The False Foundation“ ist ein Neubeginn, der die Archive-Gemeinde polarisiert. Sie funktioniert wie ein kompletter Reset. Setzte die Band in den letzten Jahren vor allem auf extreme Kontraste zwischen einzelnen Songs auf einem Album, wirkt die neue CD wie ein einziger langer Track ohne nennenswerte Höhen und Tiefen. Das Album selbst ist der Song. Archive-Mastermind Darius Keeler grinst von Ohr zu Ohr.

„Auf unseren letzten beiden Platten hatten wir versucht, die Live-Erfahrung im Studio nachzubauen, aber es kam eben nie an die Live-Erfahrung vor Publikum ran. Das hat viel Spaß gemacht, aber irgendwann hatte ich das Gefühl, dass wir damit nicht so weit in die Tiefe gehen, wie wir das ursprünglich konnten. Natürlich sind wir auch stolz auf die letzten Platten, aber wir hatten mal wieder das Bedürfnis, mit etwas so weit zu gehen, wie wir es selbst nicht für möglich halten. In etwas so tief einzudringen, dass man alle denkbaren Möglichkeiten hinter sich lässt. Auf der neuen Platte wollten wir keine Regeln mehr gelten lassen, sondern nur noch das hören, was wir lieben. Wir gingen bis an den Rand der Erschöpfung, auch zwischenmenschlich. Es ist uns total egal, ob diese Musik irgendjemandem außer uns gefällt. Das ist eine Platte für uns. Dieses Album hat viel Zeit und Nerven gekostet.“

Neues Archivierungssystem

Für langjährige Archive-Begleiter ist die neue CD zumindest gewöhnungsbedürftig. Keeler und Co. gehören nicht zu den Musikern, die sich für Vergangenes entschuldigen oder es gar relativieren würden. Die alten Regale sind aus dem Archiv geflogen, ein völlig neues Archivierungssystem ist eingeführt worden. Doch jeder Neubeginn bedeutet zunächst auch erst einmal Verlust. „Auf den letzten beiden Platten haben wir versucht herauszufinden, was Archive alles nebeneinander sein können“, rekapituliert Keeler.

„Aber irgendwann hast du als Künstler auch wieder das Bedürfnis, etwas zu tun, in das du dich richtig vergraben kannst. Für uns war das so ein wichtiges Album. Beim Song ‚Driving By Nails‘ haben wir erstmals einen Drumcomputer eingesetzt. Das Stück beruht auf einem einzigen Akkord, über den wir achtzehn Gesangsspuren gelegt haben.“ Sänger und Gitarrist Pollard Berrier springt seinem Chef zur Seite: „Ursprünglich existierte zu dem Song viel mehr Text, aber wir ließen es bei der einen Phrase, die sich immer wiederholte. An vielen Stellen geht es wirklich hauptsächlich um den Sound. Darauf haben wir viel Augenmerk gelegt und dem jeweiligen Song tatsächlich nur immer das gegeben, was er braucht.“

Die Musik der neuen CD ist viel linearer als in der Vergangenheit. Es geht weniger um Melodien, mehr um Sounds. Der fertige Song ist nicht so wichtig wie der Prozess. Man kann Archive vieles unterstellen, vielleicht sogar, dass sie ihre Identität als Klangkörper aufgegeben haben. Aber bestimmt nicht, dass sie es sich leicht machen würden. Darius Keeler geht es um die Integrität als Künstler. „Ich muss gestehen, dass es mich zu langweilen begann, einen Song zu machen und damit aufzuhören, wenn er gut klingt. Ich wollte wieder mehr experimentieren. Wenn die Songs auf ‚The False Foundation‘ gut klangen, war das erst der Ausgangspunkt, darüber nachzudenken, was wir noch mit ihnen machen können. Wir wollten die Möglichkeiten austesten, die einem guten Song innewohnen.“

Lest mehr im eclipsed Nr. 185 (November 2016).