Mit ihrem ersten Konzeptalbum „The Last Will And Testament“ verwickeln uns die schwedischen Prog-Giganten in eine verworrene Familiengeschichte aus der Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Wir sprachen mit Mikael Åkerfeldt im Vorfeld über Growls, Vinyl, illustre Gäste und das Drummer-Dilemma.
Die Sonne meint es mehr als gut an diesem Nachmittag. Der Lorenz brennt erbarmungslos auf die Dortmunder Innenstadt hernieder, in einer Schattennische hinter dem FZW hat es sich Mikael Åkerfeldt neben dem Tourbus bequem gemacht. Das eclipsed-Sommerheft mit dem 74er-Jahresspecial, das der eclipsed-Abgesandte für den Sänger/Gitarristen im Gepäck hat, ist das passende nachträgliche Geburtstagsgeschenk zum 50. Und natürlich ist es auch das perfekte Mitbringsel für einen schwedischen Vinyl-Nerd, der direkt unsere CD-Songauswahl begutachtet. Wenig überraschend: Selbstredend befinden sich alle der ausgewählten Alben in seiner Mega-Sammlung, die just an diesem Tag in Dortmund weiteren Zugang bekommen hat ...
eclipsed: Mikael, du warst heute schon im Black Plastic und im Archiv auf Plattensuche ... was gefunden?
Mikael Åkerfeldt: Ich finde immer etwas (lacht und schiebt sich ein erstes Snus-Päckchen hinter die Oberlippe, im Laufe des Interviews werden weitere folgen). Allerdings habe ich die meisten Namen jetzt schon wieder vergessen. (lacht) Es war ein ganz schön großer Stapel ... Ah, jetzt fällt mir wieder was ein: Ich habe mir u.a. das erste Kraftwerk-Album noch mal gekauft. Ich besitze es natürlich schon lange, aber heute habe ich ein sehr gut erhaltenes Exemplar gefunden.
eclipsed: Lass uns über das neue Album „The Last Will And Testament“ reden. Die Musik ist im Vergleich zu eurer letzten Phase, die ja im Prinzip über vier Alben reichte, wieder deutlich härter geworden. Absicht oder Zufall?
Åkerfeldt: Das ist einfach so passiert. Unser neuer Drummer Waltteri Väyrynen [siehe Kasten] hatte daran sicher seinen Anteil, denn auf diesem Terrain fühlt er sich am wohlsten. Anfangs kam ich mir sogar fast wie ein Betrüger vor, denn eigentlich höre ich gar keine harten Sachen mehr. Gleichzeitig beschlich mich das Gefühl, dass ich kein weiteres sogenanntes „progressives“ Album mehr in mir hatte. Die Musik ist jetzt also wieder riffbasierter, gitarrenlastiger, vielleicht kann man sie sogar hässlicher nennen.
eclipsed: Für manche schockierend: Deine Growls sind zurück!
Åkerfeldt: Egal, wie man es macht, ein Teil der Fans ist glücklich damit, die anderen sind enttäuscht. Du kannst dieses Rennen nicht gewinnen und musst darauf hören, was dir deine Intuition sagt. Aktuell habe ich wieder großes Selbstbewusstsein, in dieser Art zu singen. Wir haben ein paar Tourneen gemacht, auf denen wir viel älteres Material gespielt haben, und es hat Spaß gemacht. Ich bin aber sehr wählerisch, was die Growls angeht. Sie müssen gut sein. Sie müssen spezifisch sein. Und natürlich müssen sie zur Gesamtidee der Musik beitragen.