SAGA - Worlds Apart

21. Mai 2022

Saga

SAGA - Worlds Apart

Die aus Oakville in der Nähe von Toronto stammende Band Saga wurde zu Beginn jener Phase ins Leben gerufen, die als „dunkle Zeit“ des Progressive Rock bezeichnet wird: 1977 hatte das Genre seine dominierende Stellung bereits eingebüßt, doch seine Protagonisten beeinflussten weiterhin eine stattliche Anzahl von jüngeren Musikern, die sich daranmachten, das progressive Erbe fortzuführen. Saga gehörten noch vor Marillion und IQ zur Speerspitze der zweiten Welle melodisch-symphonischer Prog-Bands und etablierten sich mit einem breiten Spagat zwischen Hochgeschwindigkeits-Prog, muskulösem Rock und melodiösem Pop. Vor 41 Jahren erschien ihr bahnbrechendes Werk „Worlds Apart“, ein Jahr später das seinerseits äußerst erfolgreiche Livealbum „In Transit“ – Anlass genug, an dieser Stelle ihren Weg als Liveband bis zu jenem Eintritt in eine neue Bandära nachzuzeichnen, der mit ihrem internationalen Durchbruch einherging. Dazu lassen wir Sänger Michael Sadler, Gitarrist Ian Crichton, Keyboarder Jim Gilmour und Toningenieur Stephen W Tayler zu Wort kommen und rufen historische Auftritte der Gruppe in Erinnerung. Zudem beleuchten wir das Artwork des Albums sowie den Songklassiker „Wind Him Up“.

Das ländliche Farmyard Studio in Little Chalfont, England. Auf einem Querbalken unterhalb des Dachs der umgebauten Scheune balanciert Michael Sadler etwa neun Meter über dem Boden und schmettert die Zeilen zu „On The Loose“. Lohn dieses ungewöhnlichen Drahtseilaktes ist der internationale Durchbruch seiner Band: Das Stück erreicht Platz 26 der US-Billboard-Charts, Platz 3 der meistgespielten Rocksongs im US-Mainstream-Radio und wird ein Video-Hit auf MTV. Dazu kommen Platz 29 für das Album in den Verkaufscharts der Vereinigten Staaten und sogar Platz 9 in Deutschland.

Vor dem Durchbruch: Eine eigenartige Prog-Band mit Alien-Story, frisch gemixt mit Synthiepop und Hardrock

Bis zur Veröffentlichung von „Worlds Apart“ im Oktober 1981 hatte die Gruppe Saga um Sänger und Keyboarder Michael Sadler, die Brüder Ian und Jim Crichton an Gitarre respektive Bass und Keyboards sowie Drummer Steve Negus bereits eine eigenständige Identität mit deutlichen Alleinstellungsmerkmalen entwickelt. Da war zunächst als starkes optisches Markenzeichen der „Golden Boy“, eine heuschreckenartige außerirdische Kreatur mit dem Gehirn Albert Einsteins, auf den Covers ihrer ersten drei Alben: dem schlicht mit dem Bandnamen betitelten Debüt (1978), „Images At Twilight“ (1979) und „Silent Knight“ (1980). Das außergewöhnliche Maskottchen der Gruppe war Teil eines Konzepts: Mit den „Chapters“, die aufgrund ihrer nicht-chronologischen Reihenfolge unter Fans zu großem Rätselraten führten, entwickelte sie eine ambitionierte Öko-Katastrophen-Science-Fiction-Story, ohne deshalb wie frühere Prog-Bands ein ganzes Konzeptalbum zu veröffentlichen.

Dazu kam ein extravaganter Einsatz von Synthesizern, die gleich von drei Bandmitgliedern gespielt wurden. Mit Jim Gilmour fand man für „Silent Knight“, ihr aus Prog-Perspektive reifstes Werk, endlich auch einen festen Haupt-Keyboarder und spieltechnischen Könner, der zusätzlich Gesangsparts übernahm. Drittens verknüpften Saga, anders als die klassischen Prog-Helden der 70er, virtuosen Prog mit geradlinigem, teils hartem Rock und durchaus zum Pop tendierenden, klaren Melodien. Diese Faktoren trugen allerdings erst auf lange Sicht zum Erfolg der Band bei. Bis Anfang der 80er ließen relevante Chartplatzierungen auf sich warten. Zu sehr saßen Saga zwischen allen Stühlen, und die Verbindung progressiver, zudem auch textlich abgehobener Musik mit einer neuen Verpackung war damals beileibe kein Erfolgsrezept.

„Die ‚Chapters‘ waren eine Geschichte, die sich Jim Crichton ausgedacht hatte, und die Idee war, sie erst nach und nach zu veröffentlichen, damit wir uns scherzhaft versichern konnten, dass wir es schaffen mussten, wenigstens vier Alben herauszubringen, um zumindest den ersten Teil der Geschichte, also Kapitel eins bis acht, fertigzustellen“, erklärt Michael Sadler lachend. „Wir hätten leicht die Entscheidung treffen können, alle ‚Chapters‘ zu einem Konzeptalbum zusammenzufassen, aber wir hatten das Gefühl, dass das kein kluger Schachzug wäre. Zu dieser Zeit nahmen die Leute von Konzeptalben Abstand, weil sie als prätentiös angesehen wurden – insbesondere bei einer neuen, unbekannten Band.“ Jim Gilmour äußert sich zum damaligen musikalischen Ansatz von Saga wie folgt: „Wir haben wie niemand sonst geklungen, auch nicht wie andere Prog-Bands. Haben wir uns etwa zu sehr nach Genesis angehört, haben wir das gar nicht erst aufgenommen. Und Songs waren uns wichtig, nicht einfach die Zurschaustellung handwerklichen Könnens. Klar können wir das, sind auf Augenhöhe mit den anderen des Genres, übertreiben es damit aber auch nicht. Hätten wir andererseits insgesamt schon früh noch mehr Kommerzielles im Angebot gehabt, wären wir in den USA größer geworden.“ 

Eine hart arbeitende, moderne Technik nutzende Liveband mit besonderem Erfolg in Deutschland

Saga bauten ihre Popularität langsam, aber konsequent auf. In ihrem Heimatland Kanada feierten sie seit ihrem Debüt immerhin bescheidene Erfolge, und dank ihres dynamischen, so spannenden wie professionellen Sounds waren Singles und Songs wie „How Long“ und „Perfectionist“ („Saga“) „It’s Time“, See Them Smile“, „Slow Motion“ („Images At Twilight“) sowie „Don’t Be Late“ und „Careful Where You Step“ („Silent Knight“) bereits gern gespielte Songs im Radio. Im Juli 1979 wagte die Band erstmals den Sprung nach Europa und hatte einen vierminütigen TV-Auftritt in München, doch erst als Vorband von Styx im Juni 1980 zog sie einen kompletten Monat durch deutsche Hallen. Die enthusiastischen Publikumsreaktionen bei dieser Tour legten den Grundstein für ihren bis heute anhaltenden Erfolg in Deutschland (siehe Kasten zum historischen Konzert in Neunkirchen am Brand).

Sadler erinnert sich: „Es war unsere erste große Europatour, und wir waren jung, voller Energie und bereit, es mit der Welt aufzunehmen. Ich denke, wir hatten alle das Gefühl, dass sich unsere Liveauftritte schnell herumsprechen würden, wenn wir die Chance hätten, vor einem großen Publikum zu spielen, und dies schien der perfekte Anfang zu sein.“ Gilmour ergänzt: „Jedenfalls konnten wir danach bei der ‚Silent Knight Tour‘ ganz allein größere Hallen füllen.“ Den zweiten massiven Pflock in Deutschland schlugen Saga mit ihrem Konzert am 19. Dezember 1981 in der Dortmunder Westfalenhalle im Rahmen der damals schwer angesagten Fernsehreihe „Rockpop In Concert“ ein, was dazu führe, dass sie hierzulande endgültig in aller Munde waren. Der junge Jim Gilmour war überwältigt: „Irgendwie schien nach dieser Sendung jeder zu wissen, wer wir waren.“ Zwei Monate zuvor hatten sie ihr Album „Worlds Apart“ veröffentlicht ...

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