LED ZEPPELIN - Stratosphonic Rock

29. Mai 2014

Led Zeppelin Jimmy Page

51°28’31N 0°14’27”W/51.4752°N 0.2407°W – Koordinaten, die das Herz eines jeden Rockfans höher schlagen lassen. Dahinter verbirgt sich 117 Church Road im Londoner Stadtteil Barnes, die Adresse eines legendären Studios, in dem vierzig Jahre lang Rockgeschichte geschrieben wurde und das bis zu seiner Schließung im Jahr 2009 in einem Atemzug mit Abbey Road genannt wurde. Die größten Namen des Pop- und Rock haben in den Olympic Studios gearbeitet: Beatles, Stones, Who, Eagles, Clapton, Hendrix, Pink Floyd, King Crimson oder auch Led Zeppelin. Die nahmen bzw. mixten hier etliche Stücke ihrer ersten vier Alben.

Daher ist es nur folgerichtig, dass Mastermind Jimmy Page an selber Stelle die Remasters von „Led Zeppelin I – III“ vorstellt. Zumal das ehemalige Studio – heute ein Konglomerat aus Nobelkino, Members Club und Restaurant/Bar und in Sachen edel, posh und teuer kaum zu überbieten – über ein vorzügliches Soundsystem verfügt. Dies nutzen Page und seine Plattenfirma ungeniert aus: Die Vorführung im Designerkinosaal mit edlen Ledersitzen vor dreißig geladenen Journalisten wird zur Belastungsprobe, da die acht Kostproben in einer solchen Lautstärke erschallen, dass den Anwesenden glatt die Hörgeräte durchbrennen. Woran Page einen diebischen Spaß hat; darauf angesprochen schüttet er sich vor Lachen aus. Eine Gefühlsregung und eine Lockerheit, die bei dem weißhaarigen Meistergitarristen keineswegs Usus ist, sich aber wie ein roter Faden durch das sich anschließende Interview zieht.

eclipsed: Jimmy, warum so laut?

Jimmy Page: (lacht) Wie darf ich das verstehen?

eclipsed: Du hast hier aufgedreht, als wolltest du den Pressevertretern die Ohren zertrümmern…

Page: Ich hatte keine Ahnung, dass es so heftig sein würde. (kichert) Aber es ist auch nicht schlimm, denn wenn man zu leise ist, fangen die Damen und Herren von der Presse immer an, sich ungeniert zu unterhalten. Ich schätze, genau das wollte man verhindern.

eclipsed: Allerdings standen Led Zeppelin ja ohnehin immer für hohe Phonzahlen.

Page: Das kann schon sein. Zumindest lese ich das öfter. (lacht) Als wir zum Beispiel 1969 im Pariser Olympia auftraten, waren wir definitiv die lauteste Band, die je dort gespielt hat.

eclipsed: Und das im Vorprogramm von Nana Mouskouri!

Page: Im Ernst? Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Was für eine geniale Mischung. (lacht) Aber worauf ich hinauswollte ist, dass es im Grunde gar nicht so heftig war und schon gar nicht ständig. Unsere Auftritte waren vielmehr eine Übung in Sachen Dynamik – von einem Flüstern zu einem Schreien und wieder zurück. Das war unser Ding. Wir fanden das spannend. Das hatte es in der Form noch nicht gegeben. Bands waren entweder laut oder leise, brachial oder sanft. Aber wir waren beides, wir experimentierten damit. Nur: Wem unser Laut zu laut war, der hat alles verschlafen, was danach kam. Denn wir haben ja erst die Türen für sämtliche Extreme geöffnet.

eclipsed: Led Zeppelin haben demnach den Damm gebrochen?

Page: Die Rockmusik war noch jung, und es gab so viele Dinge auszuloten. Da waren so viele Sachen, die noch keiner gemacht hatte. Insofern ging es nur darum, eine Tür aufzustoßen, einen alternativen Ansatz aufzuzeigen und Denkanstöße für alle zu liefern, die nach uns kamen. Genau das taten wir: Wir öffneten eine Tür, durch die seitdem viele Leute gegangen sind.

eclipsed: Wie lange hast du an den Remasters und vor allem am umfangreichen Bonusmaterial gearbeitet?

Page: Ich begann direkt nach der Veröffentlichung von „Celebration Day“ im Herbst 2012, hatte davor aber schon sämtliche Aufnahmen und Bänder archiviert, die ich noch zuhause hatte. Darunter fanden sich auch die Versionen von Songs, bei denen ich mir nicht so sicher bin, wie man sie am besten beschreibt. Sie sind so etwas wie Work in progress-Mixe. Eine Art Zwischenbilanz oder Bestandsaufnahme, wie sich die Stücke im Laufe der Studiosessions verändert haben. Denn sie waren ja nicht schon beim Betreten des Studios fertig, sie wurden dort ausgearbeitet und veränderten sich mitunter radikal. Das zeigen diese Fassungen, die quasi Zwischenversionen auf dem Weg zum Endergebnis sind. Ich hörte sie mir in aller Ruhe an, und dabei wurde mir klar: Das ist es. Das ist etwas, das noch keiner kennt und allein deshalb spannend ist. Das ist ein ganz anderer Ansatz als zum Beispiel bei der „Beatles Anthology“, für die man ja die Multitracks hervorgekramt und da ganz neue Songs oder Songs im völlig neuen Gewand geschaffen hat. Das hier geht eher einen Schritt zurück: Es ist der Song vor dem Song. Die Blaupause für das Kommende. Das ist wirklich mal etwas anderes.

Lesen Sie mehr im eclipsed Nr. 161 (Juni 2014).