Kategorie: CD-Reviews | Genre: Psychedelic/Space Rock, Krautrock | Heft: Jahrgang 2014, eclipsed Nr. 164 / 10-2014 | VÖ-Jahr: 2014 | Wertung: 9/10, Album des Monats | Label: Eigenvertrieb | Autor: BSV
Gefühlt haben Electric Orange schon mehr als zehn Alben veröffentlicht. Gefühlt gehört die Aachener Band zu den Urgesteinen des Krautrock. Doch damit wird man den echten Urgesteinen des Krautrock nicht gerecht. Und auch Electric Orange nicht. Dennoch: Die Mannen um Dirk Jan Müller (Keyboards) und Dirk Bittner (Gitarre) sind schon seit den frühen Neunzigern am Start und haben sich mit einer Reihe herausragender Alben in der hiesigen Psychedelic- Krautrock-Szene etabliert. Und nicht nur das: Electric Orange haben sich innerhalb der Szene einen charakteristischen Sound erarbeitet. Keine ausufernden Jams, keine Psychpopsongs, sondern instrumentale Musik, die von kompositorischer Finesse und ungezügeltem Experimentiergeist lebt. Electric Orange eben. Da macht das neue „Volume 10“ keine Ausnahme. Im Gegenteil: Es fügt dem Backkatalog der Band ein weiteres Highlight hinzu. Und dem EO-Sound eine neue Dimension: Avantgardistische Klangcollagen aus Streichern und Tröten, fernöstliche Harmonien und Stimmungen nehmen an einigen Stellen die Hauptrolle ein, können sich auch schon mal mehrere Minuten lang ausbreiten. Vor allem aber fügen sie sich in die üblichen Trademarks ein. Denn natürlich setzen Electric Orange erneut auf unwiderstehliche Grooves, seltsame Klänge und immer wieder gekonnte Hooklines. So wird „Volume 10“ zu einem bemerkenswerten Trip, der mit knapp achtzig Minuten Spielzeit das technisch Mögliche einer CD komplett ausreizt. Im Opener „Paraboiled“ loten Electric Orange zunächst ihre Möglichkeiten aus, deuten die Erweiterung der Soundpalette an. Doch schon „Slowbind“ fährt nach einem Drone-Intro den ersten Headbanger-kompatiblen Rhythmus auf. Weiter geht es mit einem Sunn O)))-artigen Knarren in „Symptom Of The Moony Nurse“, in das sich Sequenzer und merkwürdige Klänge hineindrängeln. „Suite Beef“ lässt fette Drums zunächst subtil, dann laut über einen Orgelteppich marschieren, während „A Tuna Sunrise“ einer Meditation – inklusive warmer Mellotron-Klänge – gleicht. Das zwanzigminütige „Behind The Wall Of Sheep“ ist dann Musik gewordene Energie: Laut wirbelnde Trommeln peitschen den Track voran, dazu eine unüberschaubare Anzahl von Klängen, teils harsche Industrial-Sounds, teils harte Bässe. Verfremdeter Sprechgesang und ein hypnotischer Groove prägen das mit vier Minuten kürzeste Stück „Seven And Smell“. Die warmen Orgelklänge des abschließenden „Worn Utopia“ setzen den Schlusspunkt hinter ein Album, das keine Wünsche offen lässt.
Top-Track: Behind The Wall Of Sheep