Kategorie: CD-Reviews | Genre: Artrock | Heft: Jahrgang 2014, eclipsed Nr. 166 / 12-2014 | VÖ-Jahr: 2014 | Wertung: 8/10, Album des Monats | Label: Parlophone | Autor: BSV
Da ist es also, das neue Pink-Floyd-Studioalbum. Das erste seit zwanzig Jahren. Was sagt man einem seit zwanzig Jahren tot geglaubten Forscher, der plötzlich aus dem Eis zurückkehrt? „Schön, dass du wieder da bist“ etwa? Also gut: schön, dass Pink Floyd wieder da sind. Zumindest für einen Augenblick – zum letzten Mal. „The Endless River“ besteht aus erweiterten Outtakes, die David Gilmour, Nick Mason und Rick Wright 1993 für das Album „The Division Bell“ einspielten, aber nicht verwendeten. Die Band hatte zunächst geplant, es als Doppelalbum herauszubringen: einen Teil mit Gesangsstücken, einen Teil mit Instrumentals. Der instrumentale Teil fiel erst dem Zeitdruck, dann dem Desinteresse und schließlich dem Vergessen zum Opfer. „The Endless River“ ist ein Tribut an den 2008 verstorbenen Wright. Wie selten zuvor stehen seine Keyboards im Fokus: das leicht jazzige Piano, die dezenten Synthiflächen und auch die Farfisa-Orgel. Entsprechend ist das Album ein weitgehend instrumentales geworden – von den 18 Tracks, die zu vier Suiten gruppiert sind, ist nur einer mit Gesang. Dadurch gibt es so viele Gitarrensoli wie noch nie auf einem Floyd-Album. Gilmour präsentiert sich in Hochform. „Sum“ ist die Essenz, aus der die Band besteht. „It’s What We Do“ könnte gut und gerne auf der British Winter Tour ’74 eingespielt worden sein. In „Skins“ erinnert Mason an „A Saucerful Of Secrets“ – welch eine willkommene psychedelische Überraschung! Die vier Tracks „Allons-y (1)“, „Autumn ’68“ (mit einem Kirchenorgelsolo von 1968), „Allons-y (2)“ und „Talkin’ Hawkin’“ (das an „Keep Talking“ angelehnt ist) ergeben zusammen einen sensationellen Longtrack. Gerade in „Allons-y (2)“ beweist Gilmour einmal mehr, dass er wie kein anderer mit wenigen Noten zu bezaubern weiß. Und die Band beweist mit „Calling“, dass sie immer noch zu einem Weltklasseintro der Qualitätsmarke „Echoes“, „Time“ oder „Sheep“ in der Lage ist. Einige Fragmente bleiben nichtssagend, das zu liebliche „Anisina“ ist gar ein Störfaktor. „Louder Than Words“ – der Song mit Gesang – erscheint zunächst als Fremdkörper, passt aber tatsächlich exakt in den Gesamtsound. Der 5.1-Mix auf DVD/Blu-ray lässt den Klang noch eindringlicher erscheinen. Die Bonustracks der ’93er-Sessions haben nur dokumentarischen Charakter, sie sind unverändert. Pink Floyd erzeugen kein Plagiat ihrer selbst. Gewiss zitieren sie sich in einigen Passagen. Doch wenn man das nicht dürfte, hätten 99 Prozent aller Bands nach dem ersten Album aufhören müssen. „The Endless River“ ist weder peinlich noch enttäuschend. Es ist viel zu gut, um auf einer Outtakes-Bonus-CD der Jubiläumsedition von „Division Bell“ ein Schattendasein zu fristen. Es ist eines Floyd-Albums würdig.
Top-Track: Sum