Was soll man tun, wenn die Songs für das neue Album fertig sind, die übrigen Bandmitglieder aber aufgrund diverser anderer Verpflichtungen nicht zur Verfügung stehen? Man macht aus der Not eine Tugend: „Normalerweise bin ich nach der ersten Hälfte des Entstehungsprozesses eines Albums so weit, dass ich Arbeitsversionen der Songs an die übrigen Bandmitglieder verschicke, damit diese dann ihren Input liefern. In der Regel wird das Album dadurch besser und interessanter. Aber ich wollte schon immer ein Album einer kompletten Band bis zum Ende allein einspielen. Wir unterhielten uns darüber und kamen zu dem Entschluss, dass ich es diesmal machen sollte, und es war eine sehr interessante Erfahrung.“
Andy Tillison besitzt Humor: Denn der Chef von The Tangent hat dem neuesten Werk seiner Band den Titel „Songs From The Hard Shoulder“ gegeben – zu Deutsch: „Songs vom Standstreifen“. Auch seine deutlich sichtbare Zahnlücke (ein Schneidezahn rechts oben musste kürzlich extrahiert werden) kann dem freundlichen Briten nicht die Laune verderben. Dementsprechend auskunftsfreudig gibt sich der 62-Jährige bezüglich der Vergangenheit und Gegenwart seiner Band und erwähnt nebenher, dass er in Sachen Longtracks Rekordhalter sei, da er mehr als 25 Songs mit einer Länge von mindestens 15 Minuten komponiert habe …
eclipsed: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Jubiläum von The Tangent! War dir 2002 klar, dass die Band irgendwann mehr sein könnte als nur ein Nebenprojekt mit einigen berühmten Prog-Musikern?
„Allium: Una Storia“ nennt sich die Produktion der drei Prog-Heroen und Freunde Andy Tillison (u. a. The Tangent), Jonas Reingold (u. a. The Flower Kings) und Roberto Tiranti (u. a. New Trolls). Es ist ein ganz spezielles Album, dessen Idee auf einen besonderen Nachmittag zurückgeht, den Keyboarder Tillison vor 45 Jahren erlebte. Im Interview erzählt der 62-jährige Engländer von einem unvergesslichen musikalischen Erlebnis in Italien.
eclipsed: Andy, wie ist es um deine italienischen Sprachkenntnisse bestellt?
Andy Tillison: „Buon giorno“, „Buona sera“, „Buona notte“ kenne ich. Das dürfte alles sein. (lacht)
eclipsed: Aber offensichtlich liebst du die italienische Kultur?
Tillison: Vor allem die antike Kultur dort ist fantastisch und einzigartig! Aus der Moderne wiederum gibt es den Italo-Prog, den ich über alle Maßen liebe.
Andy Tillison ist als Mastermind in letzter Konsequenz The Tangent. Auch wenn der britische Sänger und Keyboarder immer wieder betont, dass ohne seine Mitstreiter Jonas Reingold (Bass), Theo Travis (Saxofon und Flöte), Luke Machin (Gitarre) und Steve Roberts (Schlagzeug) der Sound der Band völlig anders klänge. Fakt ist aber, dass der 61-jährige Tillison sämtliche Kompositionen zuhause austüftelt. Im Studio wird ihnen dann als Kollektiv der letzte Schliff verpasst. So geschehen auch beim aktuellen 11. Studioalbum „Auto Reconnaissance“. Dabei steht Musik zwischen Opulenz und Zerbrechlichkeit im Vordergrund. Die Texte allerdings verdienen ebenfalls Beachtung, changieren zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Selbst- und Gesellschaftskritik. „Der private Andy ist ohne den politischen nicht zu haben oder fassen“, scherzt ein gut aufgelegter Tillison gleich zu Beginn des Interviews.
The Tangent hatten ihre letzte Studioarbeit „The Slow Rust Of Forgotten Machinery“ ebenso wie die Vorgängerplatten jenseits von Zeit und Raum angesiedelt. Allerdings nur musikalisch. Wer sich die Texte von Mastermind Andy Tillison anhörte, dem wurde klar, dass die Formation in der Realität angekommen war und deutlich kritische Töne anschlug. Mit ihrer aktuellen Veröffentlichung „Proxy“ wollte das Supergroup-Projekt aber nicht wieder als Mahner auftreten. Eine Abgrenzung, die dem Quintett nicht wirklich gelungen ist. Zu sehr fühlt sich Tillison verschiedenen tagesaktuellen Themen verpflichtet, will unbedingt darüber schreiben. Zwar ruft der 59-Jährige seine Hörerschaft nicht mehr dazu auf, auf die Barrikaden zu gehen, um ein besseres Leben einzufordern. Aber er will nach wie vor, dass „wir alle zusammen diesen Planeten, auf dem wir leben, heil bekommen und positiv gestalten“.
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