Bei THE TANGENT ist Privates und Persönliches vom Politischen nicht zu trennen

4. September 2020

The Tangent Andy Tillison

Bei THE TANGENT ist Privates und Persönliches vom Politischen nicht zu trennen

Andy Tillison ist als Mastermind in letzter Konsequenz The Tangent. Auch wenn der britische Sänger und Keyboarder immer wieder betont, dass ohne seine Mitstreiter Jonas Reingold (Bass), Theo Travis (Saxofon und Flöte), Luke Machin (Gitarre) und Steve Roberts (Schlagzeug) der Sound der Band völlig anders klänge. Fakt ist aber, dass der 61-jährige Tillison sämtliche Kompositionen zuhause austüftelt. Im Studio wird ihnen dann als Kollektiv der letzte Schliff verpasst. So geschehen auch beim aktuellen 11. Studioalbum „Auto Reconnaissance“. Dabei steht Musik zwischen Opulenz und Zerbrechlichkeit im Vordergrund. Die Texte allerdings verdienen ebenfalls Beachtung, changieren zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Selbst- und Gesellschaftskritik. „Der private Andy ist ohne den politischen nicht zu haben oder fassen“, scherzt ein gut aufgelegter Tillison gleich zu Beginn des Interviews.

eclipsed: „Auto Reconnaissance“ bedeutet so viel wie „Selbsterkundung“. War das Schreiben des Albums demnach ein Trip in das eigene Innere? Oder warum sonst dieser Titel?

Andy Tillison: Ich versuche beim Komponieren – und dieses Mal war das noch mehr als sonst der Fall –, die Welt von außen zu betrachten. Und wenn ich meine „Feldforschung“ abgeschlossen habe, entwickle ich musikalische wie textliche „Charaktere“. Im Anschluss lerne ich viel Neues über mich und meine Persönlichkeit.

eclipsed: Du weist gern regelmäßig darauf hin, dich geschmeichelt zu fühlen, wenn man dich als „Progger“ bezeichne. Was verbindest du damit?

Tillison: Der Begriff hat viele unterschiedliche Bedeutungen für viele verschiedene Menschen. Für mich persönlich bedeutet er, dass ich mich in so ziemlich alle musikalische Richtungen orientieren kann. Um es poetisch auszudrücken: Ich kann von einer Blüte zur nächsten fliegen wie eine Biene und sahne auf dieser Reise hoffentlich so viel Kreativ-Honig wie möglich ab. Und verkaufe das Ergebnis dann stets als „Prog“! (lacht) Für mich sind ABBA oder Steely Dan ebenso progressiv wie Yes oder ELP. Entscheidend ist der „kinematografische“ Aspekt.

eclipsed: Und die Kunst, Geschichten zu erzählen, richtig?

Tillison: Ganz genau! Ich kam zu dieser Musik in den 70ern, weil sie mich Sound-technisch wie inhaltlich in abenteuerliche Gefilde entführte. Je länger ich mich mit diesem Phänomen beschäftige, desto erstaunter bin ich über „Prog“. Kaum hast du dir einen Horizont erschlossen, wartet schon der nächste darauf, entdeckt zu werden.

eclipsed: Unter welchen Umständen sind die neuen Songs entstanden?

Tillison: Unter ziemlich idyllischen, würde ich sagen. Vor gut einem Jahr sind meine Familie und ich in England aufs Land gezogen, „right in the middle of nowhere“. Was furchtbar langweilig klingt, ist in Wahrheit Balsam für die Seele. Und als hätte ich das Corona-Virus vorausgeahnt, konnte mir aus gesundheitlichen Gründen nichts Besseres passieren, als möglichst wenige Nachbarn um mich zu haben, stattdessen aber viel frische Luft. Wir sind hier sehr glücklich. Und mit meinen musikalischen Mitstreitern kommuniziere ich ganz modern via Internet, wir tauschen da unsere Ideen aus. Es funktioniert prima!

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