Die OSTROCK-Story Teil 1 - Geh dem Wind nicht aus dem Weg

Die OSTROCK-Story Teil 1 - Geh dem Wind nicht aus dem Weg

Als im Jahr 1957 in Ostberlin, Leipzig und Dresden die ersten Schülerbands im Geiste des Rock & Roll für Aufsehen sorgten, ahnte noch niemand, dass 20 Jahre später Ostrockbands mit deutschen Texten eine feste Bank sein würden. Rock „Made in GDR“ wurde durch die Puhdys, City und Karat zum gern gesehenen Exportschlager im Devisen-armen kleineren Teil Deutschlands. Die SED-Administration in Ostberlin war hin- und hergerissen, freute sich über die harte D-Mark, die durch die Langhaarigen ins Land floss, und war gleichzeitig zutiefst besorgt über die unerschrockene Aufmüpfigkeit so mancher Rockband. Egal, ob die nun Blues, Progrock, Jazz, Punk oder Metal spielte. Im ersten Teil unserer dreiteiligen Ostrock-Story sprechen wir mit damaligen Wegbereitern über wilde Anfangsjahre, Beat-Verbot und neue Rhythmen.

Die DDR-Rockgeschichte beginnt an einem Vormittag des Jahres 1957 in Leipzig. Im selben Sommer, als Elvis Presley mit „All Shock Up“ und „Teddy Bear“ für Wochen die britischen Charts dominierte, starteten Klaus Renft und Hans-Dieter Schmidt in Leipzig ihre erste Band, sind bald in ostdeutschen Tanzsälen unverzichtbar. Und auch durch Ostberlin, Dresden, Erfurt, Leipzig, Magdeburg und Halle schwappt eine Riesenwelle, die das spießige DDR-Establishment zunehmend beunruhigt. Die SED-Presse klagt bald über „widerlichen Exzesse“ und „Veitstanzkrawalle“ der vom Rock & Roll besessenen Jugendlichen, die mit Gitarre, Kofferheule und in Nietenhosen zum Schreckgespenst des braven DDR-Durchschnittsbürgers niedergeschrieben werden. Eine Methode, mit der Rockfans im Osten immer wieder konfrontiert werden sollten.

Im Jahr 1958 absolvierte der 16-jährige Klaus Jentzsch mit seinem Freund Hans-Dieter Schmidt erste musikalische Auftritte, gründete eine Schülerband. Die Klaus Renft Combo war geboren. Der Mädchenname seiner Mutter wurde zum Markenzeichen des DDR-Rock. Die junge, am Rock & Roll orientierte Band war bald vielbeschäftigt: „Im Jugendklubhaus Connewitz schlugen wir gleich ein wie ne Bombe. Von da an hatten wir wöchentlich Auftritte. Wir spielten jeden Sonnabend, und das Ding war immer gerammelt voll. Aber es gab von Anfang an Probleme mit den Behörden. Wenn der Rock & Roll aus Moskau gekommen wäre, hätte es vielleicht besser ausgesehen. Aber er kam aus den USA, stand allein deshalb unter Generalverdacht. Im Westen war der Rock & Roll die Musik des Teufels, im Osten die Musik des Klassenfeindes“, erinnert sich Renft-Schlagzeuger Hans-Dieter Schmidt. Berlin und die Messestadt Leipzig werden zu Zentren der Beat-Bewegung in der DDR. Amateur-Rockbands, zunächst vom Jugendverband FDJ gefördert und von Kulturbehörden geduldet, schießen nach dem Auftauchen der Beatles wie Pilze aus dem Boden. Die beliebtesten Bands heißen Diana Show Quartett, die Sputniks, Franke Echo Quintett, The Butlers, The Shatters, Spotlights, Guitar Men, The Starlets, Garage Players, Dresden-Septett und Fred-Herfter-Combo. Tausende Jugendliche pilgern an den Wochenenden in privat betriebene Tanzlokale wie das Kulturhaus „Sonne“, das „Volkshaus Wiederitzsch“, den „Anker“ und die Gartenkneipe „Immergrün“. Dort, wo der Beat zelebriert wird, fühlen sich die als „Gammler“ und „Radaubrüder“ geschmähten Fans wie zu Hause.

Trotz alledem: Keine „Partei“ kann Rock verbieten

Im Herbst 1965 kam es zum großen Knall. In Leipzig demonstrierten Schüler und Lehrlinge gegen das kurz zuvor verhängte „Beat-Verbot“. Die Polizei ging brutal dagegen vor, viele Jugendliche landeten im Arbeitslager. Die neue kulturpolitische Leitlinie der regierenden Partei hatte Rock Knall auf Fall in die Schublade „Schmutz und Schund“ eingeordnet. Ein Total-Stopp für Rockmusik war nun im Osten angesagt, inklusive Einfuhrverbot von Schallplatten westlicher Herkunft. Renft-Musiker Christian Kunert vermerkt treffend: „Da nun auch beschlossen wurde, dass die DDR-Jugend ein anderes Lebensgefühl als die im Kapitalismus habe, begann eine heutzutage unvorstellbare Jagd auf alles, was dem Habitus des Rock entsprach. Rockbands wurden verboten. Neu formiert und unter anderen Namen tauchten sie jedoch sehr schnell wieder auf ostdeutschen Provinzbühnen auf. Keine Jugend der Welt lässt sich von einer Partei den Tanz verbieten. Und wer da am Samstagabend ‚Satisfaction‘ spielte, war der Größte.“ So nannten sich die Guitar Men nun Rhythmus Combo, und die Shatters firmierten als Luniks. Da zuvor die „Pappe“ besorgt werden musste, wurden Haare gekürzt oder nach hinten gekämmt, denn als Rockband durfte sich niemand vor den Einstufungskommissionen, die über Spiel-Genehmigung und Stundenlohn entschieden, zu erkennen geben. Auch bei Amiga gab es Dürrejahre. Von 1966 bis 1969 wurden laut Statistik nur drei Rock-Platten veröffentlicht: 1966 und 1967 Fehlanzeige, 1968 eine, 1969 zwei.

Auf den Bühnen der Kreisstadt-Kulturhäuser zeigten sich Rockbands nun vorsichtshalber bürgerlich verkleidet mit Schlips und Kragen. Die West-Jeans blieb erst einmal im Schrank. Nur auf den Dörfern veränderte sich nichts. Im Gegenteil: Dort ging es jetzt so richtig los! Tausende DDR-Kids trampten am Wochenende zu den per Buschfunk von Mund zu Mund weitergegebenen Hotspots und Rock-Mekkas. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel mit ungewissem Ausgang, bei dem die privaten Veranstalter stets mit einem Bein im Knast standen. Denn die Stimmung in den Dorfsälen war nicht immer nur euphorisch, sondern konnte auch aggressiv und gewalttätig werden ...

Lest mehr im aktuellen Heft ...