Kein anderes Album hat einen so nachhaltigen Einfluss auf das Progmetal-Genre gehabt wie Dream Theaters „Images And Words“, mit dem den New Yorkern der perfekte Spagat zwischen schier unglaublicher technischer Finesse und episch-grandiosem Songwriting gelang. Nach dem musikalisch fast ebenbürtigen, aber in produktionstechnischer Hinsicht deutlich dahinter zurückstehenden „When Dream And Day Unite“ sorgte es mit seinem Hochglanzsound 1992 für eine wahre Explosion der Progmetalszene, deren Schockwellen bis in die Gegenwart nachhallen. Doch auf dem Weg dorthin gab es einige Hindernisse zu überwinden.
Der kleine Appetithappen, der der Band von der Musikindustrie gereicht worden war, hatte einen sauren Nachgeschmack: Trotz aller positiven Resonanz auf ihr Debüt „When Dream And Day Unite“ (1989) war ihr Label Mechanic nicht bereit, dem Album das verdiente Maß an Promotion zuteilwerden zu lassen. Dabei hatte Drummer Mike Portnoy zuvor noch im deutschen Magazin „Rock Hard“ nicht ohne Stolz berichtet: „Mechanic ist für unsere Ansprüche groß genug, da MCA dahintersteht, was Vertrieb, Marketing und Produktion angeht. Wir haben also quasi Major-Status.“ Zu allem Überfluss kam hinzu, dass Sänger Charlie Dominici stimmlich nicht dem entsprach, was den anderen Bandmitgliedern vorschwebte. So trennte man sich, und die Gruppe stand nun ohne Frontmann da. Die Suche nach einem Nachfolger schien sich anfangs gar nicht so schwierig zu gestalten: John Arch hatte gerade die von Dream Theater hoch geachteten Fates Warning verlassen. Nach dem Vorsingen sollte es dann aber nicht zu einer Zusammenarbeit kommen. Die Gründe dafür waren laut Arch in erster Linie privater Natur, doch auch mit der musikalischen Vorgehensweise der Gruppe war er nicht ganz einverstanden: „Wir saßen in einem Raum, ich hatte die Songs davor noch nie gehört“, berichtet er 1995 in einem Interview. „Sie erzählten mir, wie sie sich den Gesang vorstellten, spielten ihn auf dem Klavier. Da war keine Inspiration, das war einfach nur: ‚Sing das, was ich spiele.‘“
Insgesamt sollte die Band rund 200 Kandidaten testen, von denen nur wenige in die engere Auswahl kamen. Darunter war John Hendricks, dessen Engagement lediglich am Veto von Label und Management scheiterte, die vom Auftreten des Sängers nicht überzeugt waren. Steve Stone brachte es immerhin zu einem öffentlichen Auftritt mit der Gruppe, bei dem es dann allerdings auch bleiben sollte. „Das war eine totale Katastrophe“, erinnert sich Mike Portnoy in Rich Wilsons Bandbiografie „Lifting Shadows“. Angespornt von Iron Maidens Album „Live After Death“, das ihm Portnoy zuvor unter die Nase geschoben hatte, überzog der Sänger seine Show maßlos. Dass Dream Theater an diesem Abend als Vorgruppe von Marillion fungierten, machte die Sache nicht gerade besser. Chris Cintron schließlich war der dritte Kandidat, der kurz davorstand, zum vollwertigen Bandmitglied zu werden, und dies allen Berichten zufolge auch erst einmal geblieben wäre – wenn nicht das plötzlich auftauchende Demotape eines gewissen Kevin James LaBrie die Pläne erneut über den Haufen geworfen hätte ...