Neil Hannon und The Divine Comedy sind immer für Überraschungen gut. Hannon ist ein Musikliebhaber, der sich unablässig mit allen erdenklichen Klangrichtungen vollsaugt. Das neue Album „Office Politics“ ist eine Schatzkiste an skurrilen Ideen und unwiderstehlichen Melodien. Hannon will sich weder limitieren lassen noch seine Hörer unterfordern. Nach 30 Jahren Bandgeschichte und einem Dutzend Alben will er immer noch sich und seine Hörer auf höchstem Niveau unterhalten – und ab und zu ein wenig ärgern.
eclipsed: Dein Album klingt fast wie ein Musical. Es ist sehr bunt, hat catchy Melodien, und du lieferst auch Kontext, Kulissen und Umgebungen für jeden Song.
Neil Hannon: Das wäre sicher ein merkwürdiges Musical. Als jemand, der selbst Musik für die Bühne schreibt, muss ich sagen, das Album wäre völlig anders geworden, hätte ich es für eine Bühnenproduktion geschrieben. Aber es stimmt schon, das Album ist lustig, abwechslungsreich und ziemlich lang. Ich mag es.
eclipsed: Wie fallen dir nach all den Jahren immer noch so viele großartige Melodien ein?
Hannon: Schon als Kind habe ich immer Melodien vor mich hin gesummt. Ich erinnere mich genau daran, wie ich auf der Rückbank des Autos unserer Familie saß. Wenn ABBA im Radio liefen, summte ich das mit, aber sobald der Song vorbei war, erfand ich meine eigenen Melodien dazu. Mein Bruder fragte mich: Was summst du da? Ich sagte: Keine Ahnung. Ich hatte wohl immer schon die Fähigkeit, mir Melodien auszudenken. Aber abgesehen davon ist es ein riesiges Feld von trial and error. Es geht nicht nur darum, eine Melodie zu erfinden, sondern du musst sie auch erblühen lassen. Das ist nicht leicht, und wenn du endlich genug Erfahrung hast und weißt, wie es geht, brichst du alle Regeln, mischst die Karten neu und beginnst von vorn. Ansonsten wäre es langweilig.
eclipsed: „Office Politics“ klingt wie ein trefflicher Kommentar zu unserer Zeit.
Hannon: Das ist absichtlicher Zufall. Ich begann die Arbeit am Synthesizer statt wie sonst mit Klavier oder Gitarre, weil ich so was noch nie gemacht hatte. Obwohl es absolut kein Synthpop-Album geworden ist, hatte der Synthesizer einen wichtigen Einfluss auf die Inhalte, über die ich schrieb. Die Texte tendierten automatisch in Richtung Maschine. Ich habe keine gute Beziehung zur Technologie. Sie mag mich nicht, und ich mag sie nicht. Was immer ich in die Hände bekomme, geht kaputt. Aber ich begann darüber nachzudenken, wie sehr unser Leben heute von Maschinen dominiert wird. Das macht mir Angst und schlug sich auf die Texte nieder. Ich schreibe immer über das, was mich umtreibt.