Obwohl Roger Waters vor einigen Jahren seine erste Oper „Ça Ira“ vorlegte, wird er üblicherweise nicht als Klassikkomponist gesehen. Allerdings kam der heute 75-Jährige schon im Schulchor seiner Heimatstadt Cambridge mit klassischen Werken in Berührung und begeisterte sich später für Hector Berlioz’ „Symphonie fantastique“. Waters’ jüngster Klassikcoup ist eine Neuaufnahme von Igor Strawinskys Antikriegsstück „L’histoire du soldat“. Interessant dabei: Waters tritt nicht als Musiker, sondern als Sprecher in Erscheinung.
Am 11. November 1918 fand der Erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand von Compiègne sein Ende. Rund 17 Millionen Menschen hatten bis zu diesem Zeitpunkt ihr Leben verloren, und die weiteren Folgen wie die Entwicklung von Faschismus und Nationalsozialismus waren noch gar nicht absehbar. Künstlerische Reaktionen auf die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ gab es bereits vor Kriegsende: So komponierte Igor Strawinsky 1917 das „kleine Musiktheater“ „L’histoire du soldat“ (engl. Titel: „The Soldier’s Tale“), für das der Schweizer Dichter Charles-Ferdinand Ramuz das Libretto verfasste und das am 28. September 1918 in Lausanne uraufgeführt wurde. Inhaltlich geht es dabei um einen Soldaten, der in der Hoffnung auf finanziellen Reichtum seine Geige (bzw. Seele) an den Teufel verkauft.
Auf Roger Waters übte dieses Werk eine große Faszination aus, da er in seinen eigenen Texten oft die Unmenschlichkeit des Krieges angeprangert hatte. Wegen der entfernten Parallelen zu Strawinskys Stück ist es daher leicht nachvollziehbar, dass Waters bei mehreren Aufführungen von „The Soldier’s Tale“ als Sprecher mitwirkte – was 2008 und 2015 im Rahmen des „Bridgehampton Chamber Music Festival“ geschah. Eine Aufnahme mit den damals beteiligten Musikern war die logische Folge; diese fand am 11. und 12. Dezember 2014 in der Presbyterian Church von Bridgehampton statt.
Bemerkenswert ist, dass das Stück normalerweise mit einem Vorleser, zwei Schauspielern (Soldat, Teufel) sowie einer Tänzerin besetzt ist, während Waters in der Neuversion alle Sprechrollen selbst übernimmt – „was verdammt schwierig ist“, wie der Künstler betont. Daher betrieb er intensive Textarbeit (wobei er auch einige Passagen änderte) und gab sich große Mühe, den Hauptfiguren eine individuelle Stimme zu verleihen. Sein Vorteil: „Ich bin mit einem guten Gehör gesegnet, weshalb es mir leichtfällt, Stimmen zu imitieren.“
Unverändert blieb hingegen die restliche Besetzung, denn Strawinskys Werk war laut Waters für eine Wanderbühne gedacht und erforderte nur ein kleines Instrumentalensemble: „,The Soldier’s Tale‘ wurde für ein Septett geschrieben, denn das war für ihn die bestmögliche Besetzung, um damit auf Reisen zu gehen.“ Die Beschränkung auf sieben Musiker hatte aber auch noch andere Gründe, denn der Komponist lebte zum Zeitpunkt der Entstehung im Schweizer Exil „und fand keine finanzielle Unterstützung. Dass er ,The Soldier’s Tale‘ schrieb, hatte somit auch praktische Gründe, denn er wusste: ,Ich muss Geld verdienen‘.“ Was mit kleinerer Besetzung eher möglich war.