Das deutsche Psychedelic/Neokrautrock-Duo Sounds Of New Soma legt mit „Live At The Green Festival” sein viertes Album vor. Nach dem abgefeierten, in Schönheit und Schrulligkeit schwelgenden „La Grande Bellezza“ geht das neue Werk in eine neue gradlinige Richtung. eclipsed sprach mit den beiden Protagonisten Dirk Raupach (auch Besitzer des Independent-Labels Tonzonen Records) und Alex Djelassi.
eclipsed: Der Titel des neuen Albums ist doch ein Fake. Das Album ist weder live mitgeschnitten, noch gibt es ein Green Mushroom Festival. Netter Gag, oder?
Alex Djelassi: Die Aufnahmen der Basis-Tracks sind tatsächlich einer Livesituation entsprungen. Es geht uns diesmal darum, beim Hörer das Gefühl zu erzeugen, wie sich ein „Green Mushroom Festival“ mit unserer Beteiligung anfühlen und anhören würde.
Dirk Raupach: Naja, Alex erzählt natürlich nicht die Wahrheit. Das Festival ist klein und absolute geheim. Man wird dahin eingeladen und kurz vorher zu einem Ort gelotst, den man vorab nicht weiß. In einem abgedunkelten Bus geht’s dann zur Veranstaltung irgendwo mitten im Wald, mit vielen spannenden Freaks.
Djelassi: Schon klar, wer hier Quatsch erzählt.Raupach: Verschweige nicht die Wahrheit.
Djelassi: Fake News.
Raupach: Ich …
Djelassi: pssst!
eclipsed: Beim letzten Interview zum Album „La Grande Bellezza“ habt ihr gesagt, dass es um das Einfangen von Stimmungen geht. Welche Stimmung habt Ihr dieses Mal eingefangen?
Raupach: Wir wollten die Live-Atmosphäre, die wir im Zusammenspiel mit unserem Gastmusiker Armin Schopper (Drums) geschaffen haben, einfangen. Die situativ entstandenen Tracks sind für uns etwas gänzlich Anderes, als wenn Alex und ich im Studio unseren experimentellen Ideen zu neuen Sounds nachgehen.
eclipsed: Woher kommt die neue Gradlinigkeit des neuen Albums?
Djelassi: Als Teil des Konzepts „Livealbum“ stehen mehr als bei uns üblich Struktur und eine gewisse Nachvollziehbarkeit im Vordergrund. Daher auch die deutliche Präsenz – fast schon Dominanz – der Drums.
eclipsed: Es heißt, auf dem neuen Album „dominiert der Hang zum Space Rock“. Was hat euch zum Space Rock getrieben?
Djelassi: Der eine oder andere Track der letzten beiden Alben durfte bereits im weitesten Sinne diesem Genre zugeordnet werden. Diese Facette im SONS-Kosmos wollten wir einfach mal etwas mehr ausleben.
Raupach: Durch die Drums hat sich das so ergeben und uns auch viel Vergnügen bereitet. Darauf kommt’s ja an. Wir haben Spaß an der Sache.
eclipsed: Auf dem Innenfoto der CD seid ihr in einem grünen Feld abgetaucht. Nur noch eure Köpfe schauen raus. Eine spontane Aktion?
Raupach: Naja, auch so ein Ding des Moments. On the road, Kamera dabei, unseren Roadie und Freund Tom Engstfeld im Gepäck. Grün ist die Hoffnung, meinte er und hat einige Fotos zum Gesamtkonzept des Albums beigetragen. Als Beilage zur LP gibt es mehr zu sehen.
eclipsed: Lebt ihr selbst auch den Psychedelic? Oder ist es rein musikalisch?
Djelassi: Leben würde ich für meinen Teil eher nicht sagen. Psychedelische Musik und auch psychedelisches Artwork mag ich sehr, aber nicht ausschließlich.
Raupach: The psychedelic way of life. Das könnte sich mit vielen Dingen des alltäglichen Lebens konterkarieren. Psychedelic an sich begleitet mich schon fast das ganze musikalische Leben.
eclipsed: Ein Song auf dem Album heißt „Henriette Mutterkorn“. Wer oder was ist „Henriette Mutterkorn“?
Djelassi: Das Stück ist einer gemeinsamen Freundin gewidmet, die auf tragische Weise Erfahrungen mit den toxischen Effekten der Mutterkornalkaloide machte. Glücklicherweise geht es ihr mittlerweile wieder einigermaßen gut.
Raupach: Sie nannte sich selbst immer „Fly Henri Fly“.
eclipsed: Ein anderer Song heißt „Weinende Eidechsen”. Können Eidechsen überhaupt weinen?
Djelassi: Ich mag einfach Titel, die Bilder oder gar einen ganzen Film im Kopf auslösen. In diesem Fall eine subtile Art von Oxymoron wie bei „Weinende Eidechsen“.
eclipsed: Nun sind es schon vier Alben. Welche Entwicklung seht Ihr? Welche Highlights? Was ist nicht gelungen?
Djelassi: Ich denke, wir haben seit „Beyond The Acid Dream“ unseren Sound konsequent weiterentwickelt und für uns die richtige Mischung aus Experiment, Improvisation und Struktur gefunden. Für mich ist es immer wieder ein Highlight, wenn mich jemand anspricht, der sich mit unserer – zugegebenermaßen nicht immer ganz zugänglichen – Musik auseinandergesetzt hat. Leider noch nicht gelungen ist die audiovisuelle Umsetzung. Da sind wir immer noch auf der Suche nach Kreativen, die ihre Visionen als visuelles Element mit unserer Musik verschmelzen.
Raupach: Ja, das sehe ich genauso. Alle Alben haben einen SONS-Wiedererkennungsfaktor, stehen aber auch für sich und zeigen, dass wir völlig frei von Konventionen unsere Ideen verfolgen.
eclipsed: Die Reaktionen auf „La Grande Bellezza" waren ja schon fast euphorisch. Was denkt ihr dabei?
Djelassi: Ein gutes Gefühl, dass unser Sound offenbar einige Leute anspricht. Die vielen positiven Reviews und Reaktionen motivieren natürlich zusätzlich, mit dem Projekt SONS weiterzumachen.
Raupach: Das ist natürlich unfassbar cool. Wir haben unseren Spaß beim Tüfteln mit mehr oder weniger experimentellen Sounds und es gibt sogar Leute in den Weiten des Universums, die das gut finden.
eclipsed: Hat sich an der Aufgaben-Verteilung zwischen Euch beiden etwas geändert?
Raupach: Seit den letzten beiden Alben eigentlich nicht. Die Hauptaufgabe übernimmt Alex, er ist der Mastermind, wie ich immer sage. Er erarbeitet viele Ideen im Voraus und ist auch fürs Mixing verantwortlich. Ich bin schon sehr mit der Labelarbeit eingebunden. Aber wenn wir dann zusammenkommen, entstehen häufig noch einmal ganz neue Sounds und zeigen sich andere Wege für einen Track auf. Gemeinsam kommen wir auf die schrulligsten Ideen. Wir denken bereits über ein kommendes Konzept nach.
eclipsed: Dirk, was macht dein Tonzonen Records-Label?
Raupach: Viel Freude und auch viele Freunde. Ja, es macht weiterhin eine Menge Spaß das Label zu führen, auch wenn die Arbeit immer mehr wird. Ich denke, ich bin auf einem ganz guten Weg. Tonzonen Records ist vielen Leuten mittlerweile ein Begriff für interessante Musik und auch für eine gute Qualität der Produkte. Mit der Entwicklung bin ich sehr zufrieden, gerade auch mit der Tatsache, dass ich seit Anfang 2017 mit H‘Art einen großen, weltweit tätigen Vertrieb an der Seite habe. Für die Zukunft werde ich das Label noch etwas breiter aufstellen. Neben den bekannten Acts aus der Psychedelic- und Space-Rock-Szene, werde ich das Programm ein wenig erweitern. Mit The Shadow Lizzards und Mouth habe ich zwei Retrorock-Bands im Portfolio und mit Moto Toscana eine spannende Band, die auf derben Basssound mit melodischem Gesang setzt. Es tut sich was im Tonzonen-Kosmos. Ich möchte das Label noch bekannter machen und dabei unverändert hochwertige Qualität anbieten.
*** Interview: Bernd Sievers