SWANS - Disziplinierte Intensität

28. Juli 2023

Swans

SWANS - Disziplinierte Intensität

Seine Band war lauter als Motörhead, hat Konzertsäle in Saunen verwandelt. Er hat sein Publikum wahlweise beschimpft oder in akustische Geiselhaft genommen und seine Texte dazu genutzt, sich auszukotzen. Doch nach 40 Jahren ist auch Swans-Mastermind Michael Gira ruhiger geworden – allerdings nicht beim eclipsed-Interview in Berlin. 

Da ist der hagere Mann aber sichtlich müde vom Jetlag wie auch von den einwöchigen Proben für die Liveumsetzung von „The Beggar“, dem 16. Studioalbum seiner experimentierfreudigen Band. Es ist ein Prozess, der Gira so viel Energie abverlangt, dass er von der deutschen Hauptstadt im Grunde nur sein Bett und den Proberaum zu sehen bekommt. Pressetermine sagte er schon im Vorfeld ab – auch zum Schutz der potenziellen Gesprächspartner. Denn Gira ist kein einfacher Mensch: Er kann charmant und humorvoll sein, aber auch das genaue Gegenteil. Beide Extreme liegen oft nur Nanosekunden auseinander, sodass man als Interviewer stets aufpassen muss, wie man seine Fragen formuliert. 

eclipsed: „The Beggar“ ist ein Zwei-Stunden-Epos. Welches Konzept verbirgt sich dahinter? 

Michael Gira: (lacht) Das Konzept besteht einfach darin, dass ich entweder Songs schreibe oder verhungere. Insofern ist es lediglich ein weiteres Album, aber eines, das ich mit aller Sorgfalt und Disziplin angegangen bin, um ein intensives Hörerlebnis zu gewährleisten. Das Einzige, was die Songs verbindet, ist, dass sie während der Pandemie entstanden sind – nachdem unsere Tour dreimal abgesagt worden war und ich mit Baby und Frau zu Hause gesessen habe und fast verrückt geworden bin.

eclipsed: Also ein Pandemie-Betteln nach mehr Freiheit und Leben?

Gira: Ich spreche nicht gerne über die Texte. Nur so viel: Es geht schon um jemanden, der ganz unten ist, und darum, was sich daraus entwickelt. Im Übrigen ziehe ich es vor, dass sich die Leute selbst Gedanken machen, statt sich alles von mir darlegen zu lassen. Ich bin auch kein Lehrer oder Dozent, der einen Vortrag hält, sondern das sind Songs mit einer bestimmten Art von Poesie. Und es widert mich an, dass die Medien heute meinen, Kunst müsse bis ins Letzte erklärt werden und wie ein Lehrprogramm funktionieren. Ich will, dass da ein Austausch mit dem Hörer stattfindet, der eine gewisse geistige Leistung verlangt, statt alle Fragen, die auftauchen könnten, direkt zu beantworten. 

eclipsed: Darf man trotzdem fragen, warum sich so viele Stücke um das Thema Tod drehen? Hat das mit der Tatsache zu tun, dass du unlängst 69 geworden bist?

Gira: Stimmt, das taucht öfter auf – und es hat tatsächlich damit zu tun, dass ich mir eine Menge Gedanken mache. Aber das ist in meinem Alter ganz normal und wichtig: sich seiner Sterblichkeit bewusst zu sein und sich entsprechend zu verhalten. Etwa, indem man die Zeit, die einem bleibt, so sinnvoll wie möglich nutzt. Es ist allerdings nicht so, dass ich von dem Thema besessen bin. Es ist eher etwas, mit dem ich mich notgedrungen auseinandersetze.

Lest mehr im aktuellen Heft ...