Aufbaukurs „Erwachsenwerden“ - Drei Jahre nach dem Album „Songs Of Innocence“ veröffentlichten U2 die Fortsetzung

11. Januar 2018

U2

Kein U2-Album ist bislang von der Presse derart hämisch seziert worden wie „Songs Of Experience“. Manch ein Kritiker urteilte zwar mit größerem Augenmaß, doch als ein Meisterwerk wird die vierzehnte Studioarbeit der irischen Superstars sicher nicht in die Geschichte eingehen. U2 gehen mit ihrem zeitgenössischen Stadiosound auf Nummer sicher, versuchen sich aber gleichzeitig jüngeren Hörern anzubiedern. Das gibt Bono auch unumwunden zu. So erklärte er unlängst, dass man in Zeiten von Spotify mehr an der Qualität des einzelnen Songs arbeiten müsse, damit er ins Radio komme. Die Zeiten klar definierter Singles seien schließlich vorbei.

Denkt man sich die etwas zu trendige Produktion jedoch mal für einen Augenblick weg, bleiben immer noch die Lieder. Und die sind mitunter durchaus gelungen. Besser jedenfalls als vieles, was der Vorgänger zu bieten hatte. Mit „Songs Of Innocence“ hatten U2 den Ruf der Band aufs Spiel gesetzt. Nicht zuletzt wegen der missglückten Give-away-Aktion über iTunes. Vielleicht war die zurückhaltende Aufnahme durch Fans und Kritiker der Grund, dass Bono, The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen Jr. die fast fertige Zwillingsplatte auffällig lange zurückhielten. Dabei sieht Bono beide Einspielungen als interaktives Gespräch, „mein junges Selbst tritt in den Dialog mit meinem alten Selbst“.

Dann aber, so die Lesart des Quartetts heute, passierte einfach zu viel auf der Welt: Syrien, Brexit, Trump, Rechtspopulismus – Ereignisse und Entwicklungen, vor denen eine seit jeher politische Band nicht die Augen verschließen konnte. U2 entschieden sich dazu, die Songs umzuschreiben, die Texte anzupassen. Nicht gänzlich neue Songs wollte man komponieren, aber die „Songs Of Experience“, jene Lieder, die mit der Stimme des reifen, erwachsenen Selbst sprechen, mit frischen Erfahrungen anreichern und auf die Rückschläge eingehen, die laut Bono die Weltpolitik derzeit in Atem halten. „Denn nur das sind sie: Rückschläge. Keine Richtungsänderungen.“ Das Erreichte müsse immer wieder verteidigt werden. Dies sei eine Einsicht, die auf die Politik genauso zutreffe wie auf die Karriere einer Rockband. Und so erzählt ein Song wie „Red Flag Day“ eben auch von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer, „Summer Of Love“ vom Krieg in Syrien, während „American Soul“ sowie „Get Out Of Your Own Way“ sich mit den USA unter Trump auseinandersetzen, immer wieder vermischt mit persönlichen Eindrücken. Die Idee der USA ist in den Augen Bonos „gefährlich verdreht. Als Künstler müssen wir darauf reagieren.“

Lest mehr im eclipsed Nr. 197 (02-2018).