Es ist heiß an diesem Nachmittag in Berlin. Aber Myles Kennedy bleibt cool, auch wenn er lachend gesteht, dass er wohl noch shoppen gehen muss, weil er die falschen Klamotten eingepackt habe. Entspannt sitzt er in der Bar eines Berliner Hotels und steht Rede und Antwort. Insbesondere natürlich zu seinem neuen Soloalbum „The Art Of Letting Go“, das ebenfalls „heiß“ ist. Denn es rockt mehr als ordentlich. Der 54-jährige, der sich als Frontmann von Alter Bridge und Sänger von Slash & The Conspirators einen exzellenten Ruf erarbeitet hat, erläutert, wie es dazu kam.
eclipsed: Deine Soloalben klingen alle recht unterschiedlich. Ist diese Freiheit die grundlegende Idee dahinter?
Myles Kennedy: Exakt. In Bands gehst du Kompromisse ein, die Solo-Sachen sind etwas mehr … nennen wir es eigennützig. Es geht darum, wo ich in dem Moment stehe. Es ist befreiend. Gleichzeitig aber herausfordernd, gerade beim Songwriting. Denn du musst allein deinen eigenen Instinkten folgen. Die Solo-Sachen sind für mich eine Übung, diese Instinkte auszubauen und ihnen zu vertrauen. Das ist wie ein kreativer Muskel, den du benutzen musst, damit er nicht schrumpft.
eclipsed: „The Art Of Letting Go“ ist rockig, gitarrenbetont. War das geplant oder hat sich das so ergeben?
Kennedy: Etwas von beidem, würde ich sagen. Das eine ist: Auf Tour sind wir zu dritt. Das heißt, wir mussten Arrangements neu ausrichten, da wir nicht sechs Leute oder so auf die Bühne stellen können. Darüber sprach ich im Tourbus mit unserem Drum-Techniker, von dessen Meinung ich viel halte. Und in dem Zuge kam die Idee auf, das nächste Album so aufzunehmen, wie es auch live umgesetzt werden kann. Und der zweite Grund ist meine Signature-E-Gitarre von PRS, die rauskam. Eine Gitarre nach meinen Spezifikationen! Das ist nicht einfach ein bestehendes Modell, das anders angemalt und mit meinem Namen versehen wurde. Wir arbeiteten fast zwei Jahre daran. Sie wurde wie ein Anhängsel, ich wollte nur noch sie spielen. Ich konnte einfach nicht aufhören, und so flossen diese Riffs.
eclipsed: Welche Rolle spielte der Produzent Michael „Elvis“ Baskette?
Kennedy: Er ist so etwas wie ein finaler Filter, wenn es um die Auswahl der Songs geht. Ich bin da manchmal einfach zu nah dran. Den Song „Miss You When You’re Gone“ beispielsweise nahm ich nicht einmal als Demo auf. Ich hatte viele andere Songs, und die Frage kam: „Gut. Hast du noch mehr?“ Und ich habe meistens noch etwas in der Hinterhand. Als ich dann anfing, ihn zu spielen, hieß es sofort: Der kommt auf das Album!