PORCUPINE TREE - Das längste Comeback der Welt?

PORCUPINE TREE - Das längste Comeback der Welt?


November 2021: Porcupine Tree geben überraschend bekannt, dass Ende Juni 2022 ihr neues Studioalbum „Closure/Continuation“ erscheinen wird – mehr als zehn Jahre nach der Veröffentlichung des Vorgängers „The Incident“ (2009) sowie nach unzähligen Solo- und anderweitigen Projekten von Steven Wilson, Richard Barbieri, Gavin Harrison und Colin Edwin und wiederholten Dementis bezüglich einer möglichen Reunion. Von Ende der 90er-Jahre an gehörten Porcupine Tree über ein Jahrzehnt lang zu den stilprägenden Bands des New Artrock, und ihr Einfluss ist in diesem Genre bis heute spürbar. Knapp zehn Jahre lang arbeitete die Band heimlich an dem neuen Album, von dem selbst Bassist Colin Edwin nichts wusste, der nun nicht mehr zur Band gehört.

Die neue Europazentrale von Sony Music in Berlin ist ein beeindruckendes Gebäude: runde Konferenzräume, modern, fast futuristisch und somit durchaus passend zu Porcupine Tree. Was für Steven Wilson und Richard Barbieri zählt, ist das Hier und Jetzt. (Gavin Harrison nimmt nicht am Interview teil, weil er mit The Pineapple Thief auf Tour ist.) So quittiert Wilson auch mit einem freudigen Strahlen und einem Seufzer der Erleichterung das Versprechen, dass es keine Fragen zu den 70er-Jahren, klassischen Alben, David Bowie oder Pink Floyd geben wird, nicht einmal zu Japan, Barbieris immens erfolgreicher Band der 70er und 80er. „Oh, ich würde sehr gern über Japan reden“, stichelt Wilson in Richtung Barbieri. „Ich rede über alles, ich habe keine Tabus“, nimmt der Keyboarder dem Sänger den Wind aus den Segeln. Es soll nicht das einzige kleine Duell der beiden während des gut gelaunten Interviews bleiben.

eclipsed: Sony Music ist ein Global Player. Wie fühlt es sich an, bei einem so großen Label untergekommen zu sein?

Steven Wilson: Bislang fühlen wir uns gut aufgehoben. Es geht aber nicht um das Unternehmen oder das Label, sondern um die Leute, mit denen man zu tun hat.

Richard Barbieri: Diese Pressetermine, die wir zum Beispiel hier und heute absolvieren, erinnern mich an die frühen Tage mit Japan. (grinst Richtung Wilson) Es ist lange her, dass ich ganze Tage mit den Medien geredet habe. Ich finde mich also plötzlich auf diesem alten Weg wieder.

eclipsed: Das ist nicht der einzige alte Weg, auf den ihr zurückgekehrt seid. Ihr seid als Porcupine Tree zurück. Zehn Jahre lang sah es so aus, als hättet ihr kein Interesse an einem neuen Porcupine-Tree-Album. Mit eurer Ankündigung habt ihr alle überrascht.

Wilson: In der Öffentlichkeit sah es jedenfalls so aus. Aber im Hintergrund haben wir schon seit zehn Jahren an dem Album gearbeitet. 2012 haben wir damit begonnen, erstes neues Material zu entwickeln für ein Nachfolgealbum von „The Incident“. Es dauerte aber eine sehr lange Zeit, bis wir ausreichend Musik zusammenhatten, von der wir meinten, sie der Welt als neues Porcupine-Tree-Album präsentieren zu können. Das Widernatürliche an all dem ist, dass wir zu einem Zeitpunkt zurückkehrten, an dem alle Leute dachten, mit Porcupine Tree sei ein für alle Mal Schluss. Dieser Umstand gefällt mir.

eclipsed: Ihr alle hattet in den zehn Jahren eure Soloprojekte und Soloalben, die viel Zeit in Anspruch genommen haben. Wie habt ihr es da überhaupt geschafft zusammenzukommen?

Barbieri: Als die Jahre vergingen, habe ich wirklich gedacht, dass es mit Porcupine Tree vorbei sei. Aber Gavin und Steven haben sich ab und zu getroffen. Sie wohnen auch dicht beieinander. Sie fingen dann einfach an und machten Musik. Ich stieß ein bisschen später dazu.

Wilson: Gavin sagte einfach: „Komm doch auf eine Tasse Tee vorbei.“ Und als wir dann zusammen Tee tranken, habe ich in sein Gesicht gesehen und erkannt, worum es ihm eigentlich ging. Wir haben also begonnen, gemeinsam zu jammen. Das Komische ist, dass all das, woraus das Album besteht, aus Jams entstanden ist, bei denen ich Bass spielte und Gavin Drums. In Tracks wie „Harridan“ oder „Chimera’s Wreck“ ist das besonders deutlich zu erkennen. Das Album beginnt im Grunde mit Drums und Bass. „Harridan“ entstand aus einem der allerersten Jams 2012. Wir haben es danach nicht noch mal aufgenommen, sondern die Aufnahme von 2012 verwendet. Richard kam erst 2015 dazu. Gavin und ich hatten gemerkt, dass das, was wir bis dahin gemacht hatten, nicht vollständig war. Es fehlte etwas, und das war Richard. Zum selben Zeitpunkt hatte Richard von sich aus begonnen, mir eigene Ideen und Aufnahmen zu schicken. Wir erzählten niemandem, was wir taten und dass wir überhaupt etwas zusammen machten. Kein Manager wusste davon, keine Plattenfirma.

Barbieri: Wir konnten es auch niemandem erzählen. Wenn wir es irgendjemandem erzählt hätten und es in der Welt gewesen wäre, hätte das alles verändert und nur Probleme für uns alle verursacht und uns unter Druck gesetzt.

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