Knapp 20 Jahre nach ihrer Gründung haben sich SNARKY PUPPY zur populärsten Band im Spannungsfeld zwischen Fusion, Funk und Worldbeat entwickelt. Vor allem dank der zahlreichen „Live im Studio“-Alben und der dazugehörigen Promo-Videos hat es das 19-köpfige Musikerkollektiv geschafft, auch die YouTube-Generation nachhaltig zu begeistern. Das Doppel-Album „Empire Central“ – an acht Abenden vor einem kleinen Studio-Publikum aufgenommen – ist der jüngste Geniestreich der Gruppe und zugleich eine Hommage an die Stadt Dallas, wo im Jahr 2004 die Ur-Besetzung zusammenfand. Wir sprachen mit Bassist/Bandleader Michael League (38), der zum Zeitpunkt des Interviews gerade in Brüssel weilte und trotz Müdigkeit (die Band war kurz zuvor nach Europa gejettet) alle Fragen hochkonzentriert beantwortet.
eclipsed: „Immigrance“, das letzte Snarky-Puppy-Album mit eigenen Kompositionen, kam 2019 heraus, worauf euer erstes „konventionelles“ Live-Album folgte, das nur bekannte Tracks enthielt. In der Zwischenzeit warst du als Musiker und Produzent sehr beschäftigt. Kannst du ein paar Aufnahmen nennen, an denen du seitdem beteiligt warst?
Michael League: Insgesamt machte ich zwölf Platten, darunter mein erstes Solo-Album „So Many Me“, das abgrehten Pop enthielt. Ich produzierte auch Alben für David Crosby und die Lighthouse Band mit Becca Stevens und Michelle Willis – diese Platte kommt nächstes Jahr raus. Ich produzierte auch einen Track für Gilberto Gil, die brasilianische Legende. Außerdem produzierte ich Alben für das Attacca Quartet („Real Life“), das C4 Trío – ein venezuelanisches Trio, das vor kurzem für einen Latin-Grammy nominiert wurde –, die portugiesische Fado-Sängerin Gisela Jõao, Becca Stevens & The Secret Trio und meine andere Band Bokanté. Außerdem habe ich mit Bill Laurance von Snarky Puppy ein Duo-Album aufgenommen, das bald auf dem deutschen ACT-Label herauskommt.
eclipsed: Zusätzlich zu all dem hast du dein eigenes Label GroundUP, schreibst und arrangierst neue Songs und musst regelmäßig üben, um deine Spieltechnik auf einem hohen Level zu halten. Was ist dein Rezept dafür, all diese Aufgaben erfolgreich zu jonglieren?
League: Glücklicherweise muss ich auf dem Bass meistens keine schwierigen Sachen spielen, sodass ich nicht jeden Tag üben muss. Was den Rest betrifft, so habe ich ein unglaublich gutes Team – daher muss ich mich nicht täglich mit Label-Angelegenheiten befassen. Wir haben alle paar Wochen ein Meeting, zu dem ich dazustoße, aber ansonsten hält das Label-Team den Laden am Laufen. Was das GroundUP-Festival betrifft, so bin ich zwar der künstlerische Leiter, aber auch dafür arbeite ich nicht jeden Tag. Es ist eher so, dass ich kurze, aber intensive Arbeitsphasen dafür einlege. Ich versuche einfach, mir nicht zu viel aufzuhalsen – ich kenne meine Grenzen und versuche meine Zeit verantwortungsvoll einzuteilen.
eclipsed: Euer neues Album „Empire Central“ ist ein Tribut an die Stadt Dallas, wo für euch alles begann. Warum seid ihr dorthin zurückgekehrt? Denn eigentlich wurde nur eines eurer Alben, nämlich „Bring On The Bright“, auch dort aufgenommen, während ein paar andere Alben in texanischen Städten wie Denton und Tornillo eingespielt wurden …
League: Ich dachte, dass es cool wäre, wieder mal ein Snarky-Puppy-Album in dem Stil aufzunehmen, der uns populär gemacht hatte und den man von Alben wie „Tell Your Friends“, „GroundUP“ und „We Like It Here“ kennt. Wir wollten das Album dort aufnehmen, wo die Band ihre Wurzeln hat: in Dallas. Dieser Ort hat einfach eine spezielle Energie, weil dort viele Freunde und Musikerkollegen leben. Wir wollten unser Bestes geben, um die reiche kulturelle Geschichte dieser Stadt zu repräsentieren.
eclipsed: Bei den wichtigen musikalischen Hochburgen in den USA denkt man vor allem an Los Angeles, New York, Nashville oder Detroit, aber nicht unbedingt an Dallas, obwohl Musiker wie Norah Jones, Meat Loaf und Erykah Badu von dort kommen. Warum war die Stadt für euch so attraktiv, als ihr angefangen habt? Seid ihr wegen der Musikszene dorthin gegangen?
League: Nein, ich bin dorthin gegangen, weil es in der Nähe eine sehr gute Universität gab: die University of North Texas. Sie ist 45 Minuten von Dallas entfernt, und dort haben sich die meisten Snarky-Puppy-Mitglieder getroffen. Nach dem Ende des Studiums zogen praktisch alle Bandmitglieder nach Dallas, weil es dort eine fantastische Musikszene gab – vorher hatten wir in Denton gespielt, wo es eher eine College-Musikszene gab. Mit unserem Umzug veränderte sich alles. Denn in Denton gab es zwar Jazzszene, aber die meisten Musiker waren weiße College-Studenten aus den Vororten, während es in Dallas viele wichtige Leute gab, die in der schwarzen Kirche aufgewachsen waren und dort Musik machten. Das war eine ganz andere Erfahrung!
eclipsed: In den letzten Jahren sind die Snarky-Puppy-Liveaufnahmen oft als CD/DVD-Package erschienen. Bei „Empire Central“ gibt es allerdings keine DVD, obwohl auf YouTube Videos zu einigen Tracks zu finden sind. Gab es finanzielle Gründe für diese Entscheidung? Oder wird es in naher Zukunft eine Deluxe-Edition mit CD plus DVD geben?
League: Wenn alles nach Plan läuft, wird man bald die Videos zu jedem Song online anschauen können – in HD. Die Idee, ein physisches Produkt herauszubringen, fühlte sich angesichts der aktuellen Entwicklung des Konsumentenverhaltens ein bisschen unzeitgemäß an. Wir wollen die Videos im Laufe des nächsten Jahres nacheinander veröffentlichen, und ab einem bestimmten Zeitpunkt wird man sie alle über einen bestimmten Anbieter anschauen können.
eclipsed: Ich muss zugeben, dass ich eure früheren Videos eher auf YouTube anschaue, obwohl ich die dazugehörigen CD/DVD-Sets besitze. Dabei bevorzuge ich eigentlich das physische Produkt …
League: Mir geht es generell genauso. Ich muss allerdings sagen, dass wir z.B. für „Family Dinner Volume 2“ eher einen Film gedreht hatten, mit Interviews zwischen den Songs. Dieses Mal hatten wir lediglich ein Video für jeden Song. Ich dachte, dass es ein bisschen exzessiv wäre, auch noch Videos zwischen die Stücke zu pressen.
eclipsed: In der Vergangenheit warst du derjenige, der den Großteil des Songmaterials beigetragen hat. Dieses Mal ist es jedoch so, dass elf deiner Bandkollegen als Komponisten oder Co-Komponisten fungierten. Warum dieser neue Ansatz?
League: Ich glaube fest daran, dass man durch eine andere Herangehensweise das Produkt verändert. Mit Snarky Puppy wollen wir auf keinen Fall immer wieder dasselbe machen. Wir wollen wachsen und uns weiterentwickeln, und wir wollen, dass sich die Musik verändert. Andere Komponisten sind daher eine sehr direkte Methode, um den Sound einer Band zu verändern. Außerdem wissen alle in der Band, wer wir sind und was unser Sound ist. Wenn sie jetzt Sachen schreiben, klingen diese ganz anders als vor zehn Jahren. Denn alle haben jetzt ein besseres Verständnis davon, was funktioniert und was nicht. Ich war auf jeden Fall sehr zufrieden mit den Kompositionen, die die anderen einreichten.
Das komplette Interview ist Teil unseres Online Abos, siehe https://www.eclipsed.de/de/abo