In den vergangenen Jahren wurde Toto-Keyboarder David Paich immer mal wieder von gesundheitlichen Sorgen geplagt. Beim Interview mit eclipsed ist davon jedoch nichts zu spüren: Der 68-Jährige erscheint zu mittäglicher Stunde mit Baseball-Käppi, aber ohne obligatorische Sonnenbrille zum Gespräch und wirkt dabei sehr aufgeräumt. Dabei spannt er einen großen Bogen von seinem Solodebüt „Forgotten Toys“ bis zu seiner Kindheit, als ihn sein Vater, der Arrangeur Marty Paich, in die großen Tonstudios von Los Angeles mitnahm – eine Erfahrung, die für sein weiteres Leben prägend war.
eclipsed: Vor kurzem habe ich in einer Biographie über den verstorbenen Toto-Schlagzeuger Jeff Porcaro gelesen, dass du schon 1974 eine Solo-Platte mit dem Titel „That’s The Way I Am“ aufnehmen wolltest. Was wurde aus diesen Songs?
David Paich: „The Way I Am“ landete auf dem gleichnamigen Album von Billy Preston [erst 1981 erschienen; Anm.] und wurde von meinem Vater produziert. Damals dachte ich erstmals über eine Solokarriere nach und nahm mein Album zu Lou Adler [Produzent von u.a. Carole King; Anm.], der mein Mentor war und mich überzeugte, dass es besser wäre, bei einer Band mit gleichgesinnten Musikern einzusteigen, weil der Druck auf einen Solokünstler zu groß sei und weil der ganze Lifestyle nicht empfehlenswert sei. Nach der Gründung von Toto unterdrückte ich das Verlangen nach einem Solo-Album – denn meine Songs wurden von den besten Musikern gespielt und so gut wie möglich abgemischt.
eclipsed: Dein erstes Solo-Album „Forgotten Toys“ enthält sieben Tracks, die du in deinem persönlichen Archiv hattest. Wann hast du diese Songs geschrieben?
Paich: Manche Ideen entstanden schon vor ungefähr zehn Jahren. Für „All The Tears That Shine“ hatte ich beispielsweise ein kleines Piano-Riff, die eigentliche Melodie folgte aber erst Jahre später, als Mike Sherwood [Bruder von Yes-Bassist Billy Sherwood; Anm.] mit mir zusammen komponierte. Ich verwendete seine Gesangsaufnahme, weil er 2019 starb und ich ihn ehren wollte – er war ein phänomenaler Sänger. Ich hatte also einige Stücke herumliegen, und als Covid ausbrach, schien die Zeit günstig. Steve Lukather hatte gerade sein Solo-Album fertiggestellt, und Joseph Williams arbeitete an seinem eigenen, und wir schickten einander übers Internet Sounddateien zu. Mittlerweile habe ich die Songs hunderte Male gehört, aber sie klingen immer noch frisch. Ich bin glücklich und zufrieden!
eclipsed: Waren die Songs bereits fertig komponiert, als du dieses Album geplant hast oder musstest du vor den Aufnahmen noch ein wenig Feinschliff betreiben?
Paich: Ich musste definitiv noch Feinschliff betreiben. „Lucy“ war großteils fertiggestellt, allerdings fügte ich dann noch James Tormé, den Sohn von Mel Tormé, hinzu, der Scatgesang und Background Vocals beitrug. Außerdem half mir Joseph Williams, alle Puzzleteile zusammenzufügen. Bei vier Songs griff er mir unter die Arme, damit die Songstrukturen und die Texte passten.
eclipsed: Deine Toto-Kumpels Steve Lukather und Joseph Williams haben ihre aktuellen Alben letztes Jahr am selben Tag veröffentlicht und schafften es in Deutschland bis auf Platz 16 bzw. Platz 30 der Charts.
Paich: Das ist großartig! Ich hatte ja gehofft, dass ich rechtzeitig den Hintern hochkriege – wie das letztplatzierte Rennpferd, das versucht, doch noch ein bisschen schneller zu laufen (schmunzelt).
eclipsed: Eigentlich hättet ihr ja auch die besten Sachen von euren drei Solo-Platten zusammenlegen können – dann hättet ihr ein exzellentes Toto-Album gehabt. Den großartigen Ringo-Starr-Track „Let’s Change The World“, der von Steve Lukather und Joseph Williams geschrieben wurde, hättet ihr auch noch dazunehmen können.
Paich: Danke, das ist schön zu hören! Es ist lustig, dass du Ringo erwähnst, denn als ich sein Solo-Album „Ringo“ anhörte, fiel mir auf, dass er John Lennon und George Harrison dafür angeheuert hatte – er entfernte sich also nicht allzu weit von seinen Bandkollegen. Davon ließ ich mich inspirieren und habe die besten Musiker angeheuert, die ich kenne – und dazu zählen auch Luke und Joe.
eclipsed: Das kurze Instrumentalstück „Forward“ hätte auch zum „Dune“-Soundtrack von 1984 gepasst, während „willibelongtoyou“ und „Spirit Of The Moonrise“ stark an Totos „Fahrenheit“- und „Isolation“-Ära erinnern. Waren diese Tracks ursprünglich als Toto-Songs geplant?
Paich: Nein, das waren immer meine Songs, die für ein zukünftiges Projekt vorgesehen waren. Wenn ich dieses Solo-Album nicht gemacht hätte, hätte ich vielleicht zu den anderen gesagt: „He, Jungs, wenn wir noch mal ein Album machen würden, würdet ihr dann diese Songs in Erwägung ziehen?“ Das hätte passieren können, aber derzeit sind Toto nur eine Tourband.
eclipsed: Die orchestrale Bridge und der Schlussteil von „willibelongtoyou“ klingen so, als ob Steve Porcaro [Ex-Toto-Keyboarder; Anm.] einige Ideen und Sounds beigesteuert habe, allerdings ist er nicht dabei.
Paich: Das werde ich Steve erzählen. Denn als er den Song hörte, lachte er und meinte: „Das ist brillant!“ Das ist eine typische Sektion, bei der wir früher zu Steve gesagt hätten: „Mach dein Ding!“ Aber weil es mein Album ist und Joseph und ich im Studio zu allerlei Scherzen aufgelegt waren, machten wir es selbst.
eclipsed: Hast du Steve eigentlich gefragt, ob er bei diesem Projekt mitmachen will?
Paich: Nein, denn ich wollte sehen, ob ich auf eigenen Beinen stehen kann. Außerdem ist Joseph so ein guter Keyboarder und Mentor, dass er Steves Position einnehmen konnte.
eclipsed: Auf der ersten Single „Spirit Of The Moonrise“ und bei „Queen Charade“ spielst du auch E-Bass – was du sonst nur selten tust.
Paich: Es ist allerdings nur ein Keyboard-Bass. Ich verwende dabei einen Paul-McCartney-Sound, den ich liebe. Ich wäre vermutlich ein großartiger Bassist in einer Band geworden.
eclipsed: Der ungewöhnlichste Track ist sicherlich „Lucy“, ein jazziges Stück, das von Mel Tormés Sohn James gesungen wird und das Mel und deinem Vater Marty gewidmet ist. Wie kam es zu diesem Stück?
Paich: Ich war immer ein großer Fan von Vince Guaraldi, der die „Peanuts“-Musik und das Titelstück „Lucy And Linus“ komponiert hat. „Lucy“ hat mich an meine Schwester erinnert, die allerdings nicht Lucy hieß [sondern Lorraine; Anm.]. Mein Vater war Jazzpianist, und bei uns zuhause lief immer Jazz, u.a. auch von Mel Tormé, der uns besuchte, als ich noch ein Kind war. Mein Vater und er hatten großen Erfolg mit ihren gemeinsamen Alben – mein Vater arrangierte, und Mel sang. Deshalb dachte ich bei „Lucy“: Lasst uns eine Paich-Tormé-Reunion machen! Für James Tormé hatte ich bereits ein Album produziert, und er nahm in einem Take den Scat-Gesang auf und fügte dann noch Background Vocals hinzu.
eclipsed: Bei der Vorbereitung für dieses Interview habe ich mir auch einige Stücke von deinem Vater angehört. Inwiefern bist du selbst beeinflusst von den Aufnahmen, die dein Vater und sein Dek-tette mit Mel Tormé machten?
Paich: Ich bin zwar davon beeinflusst, habe aber gleichzeitig auch meinen eigenen Stil, der ebenfalls jazzig angehaucht ist. Als mein Dad mit seiner Gruppe live auftrat, klang es teilweise so, als würde eine Bigband spielen.
eclipsed: Die Harmonien dieser Stücke klingen ziemlich heiß und modern, dabei entstanden die Arrangements Mitte der 50er Jahre.
Paich: Mein Vater arbeitete auch mit den Hi-Lo’s, einem außergewöhnlichen Jazz-Gesangsquartett. Bei ihnen tauchten ebenfalls solche Harmonien auf ...
Das komplette Interview ist Teil unseres Online-Abos, siehe https://www.eclipsed.de/de/abo