Greta Van Fleet's Debüt ”Anthem Of The Peaceful Army“ war ein erstes Beben, mit ”The Battle At Garden’s Gate“ folgt nun ein Paukenschlag: ein Album, mit dem das Quartett aus Frankenmuth, Michigan, sich anschickt, einen Wachwechsel in der Rockmusik vorzunehmen – mit Hymnen für eine neue Generation, die reife Genreikonen wie die Stones, Led Zep oder The Who längst nicht mehr erreichen. Die heutige Jugend – so Bassist Sam Kiszka im eclipsed-Gespräch – will schließlich ihre eigenen Helden, Sprachrohre und Songs.
eclipsed: Sam, ist der Erfolg eures Debüts ein Indiz dafür, dass Rockmusik eben nicht tot ist, wie oft behauptet wird?
Sam Kiszka: Das ist ohnehin eine völlig überzogene Behauptung. Für mich war Rock’n’Roll schon immer eine Underground-Sache – bis sie in den späten 60ern/frühen 70ern zu Pop wurde. Dabei gibt es eine klare Trennung zwischen dem, was Rock, und dem, was Pop ist. Ich meine, natürlich wissen die Stones, wie man einen Rock’n’Roll-Song in die Popcharts bringt – das haben sie oft genug bewiesen. Trotzdem sind die beiden Dinge nicht austauschbar: Rock kommt aus dem Untergrund, und genau das lieben wir als Band daran: dass dahinter eine weltoffene Community steht, die die Schönheit, die Tradition, aber auch die Ecken und Kanten der Rockmusik pflegt. Von daher: Rock ist noch lange nicht tot, und es war toll, eine so euphorische Resonanz auf „Anthem Of The Peaceful Army“ zu erhalten.
eclipsed: Seid ihr die Retter des Rock – zumindest für die heutige Jugend, die durchaus Identifikationsprobleme mit 70-jährigen Rockveteranen zu haben scheint?
Kiszka: Wir sind große Fans der Altmeister, aber es ist tatsächlich so, dass ihr Kram in den Ohren vieler Kids nicht mehr relevant anmutet. Und seien wir ehrlich: Diese gesetzten Herrschaften entscheiden auch schon lange nicht mehr, wohin sich die Musik entwickelt – sie machen einfach ihr Ding und halten daran fest. Sie sind also längst stehengeblieben – was ein bisschen an unsere Politiker erinnert. Die sind ebenfalls so alt, dass sie den Draht zur Jugend verloren haben. Insofern ist das, was wir hier erleben, vielleicht ein Wachwechsel – die Übernahme durch die nächste Generation. Die Rockmusik wird weitergereicht in andere Hände.
eclipsed: Und da kommt ihr ins Spiel – diese Aufgabe übernehmt ihr nur zu gerne?
Kiszka: (lacht) Ja, zumal das bislang niemand richtig hinbekommen hat. Und ich muss ehrlich sagen: Ich nehme Ausdrücke wie „die Retter“ oder „die nächste Generation“ als Kompliment – ich habe keine Angst davor, Verantwortung zu übernehmen, und ich halte Greta Van Fleet für eine wichtige Band für die heutige Jugend. Wir haben die Möglichkeit, ein großes, neues Publikum für eine Kunstform und eine Kultur zu begeistern, die es ansonsten wohl nie kennenlernen würde. Es ist zum Beispiel unglaublich, wie viele Leute in meinem Alter nicht wissen, wer Robert Johnson war. Insofern ist es wichtig, dagegen anzusteuern, die Wurzeln der Rockmusik zu vermitteln und sie entsprechend zu hegen. Genau das tun wir! (lacht)
eclipsed: Welches Feedback bekommt ihr von Metallica, die euch als Support-Act für ihre ausgefallene Sommertour 2020 engagiert hatten?
Kiszka: Ich denke, sie erkennen, dass sie Teil der älteren Generation sind und es ihre Aufgabe ist, die Fackel der Rockmusik weiterzureichen – also, dass sie das müssen und es auch bereitwillig tun. Nach dem Motto: „O. K., wir haben die moderne Musik so weit beeinflusst, wie wir nur konnten – jetzt sind die nächsten dran.“ Und das ist die einzig richtige Entscheidung, für die wir sie auch sehr bewundern – genauso wie für das, was sie über Jahrzehnte geleistet haben. Eben als Band, die schon so lange dabei ist und einen profunden Einfluss auf diese Art von Musik, auf dieses musikalische Genre hatte. Metallica haben den Metal quasi neu erfunden und unglaublich populär gemacht – auch unter Leuten, die diese Musik sonst gar nicht mögen. Allein dafür verdienen sie Respekt. Sie haben wirklich etwas geleistet.