INTERPOL - Wundersame Wandlung

28. August 2022

Interpol

INTERPOL - Wundersame Wandlung

Corona hat uns alle beeinflusst – auf unterschiedlichste Art und Weise: Das Virus hat uns zu Wutbürgern, Verschwörungstheoretikern, aber auch Eremiten und Couchpotatos gemacht, zu Menschen mit Zukunfts- und Existenzängsten oder – im Idealfall – einem wiedererstarkten Familiensinn. Bei der amerikanischen Band Interpol hat es indessen für einen neuen Sound, einen neuen Anspruch und ein überraschendes Album gesorgt: „The Other Side Of Make-Believe“. Es ist ein Werk, das laut Sänger Paul Banks ganz anders klingt als alles, was seine Formation in den 25 Jahren davor fabriziert hat: „Wegen der Pandemie konnten wir erstmals nicht zusammen schreiben, was eine interessante Erfahrung war und sich vor allem auf meinen Gesang ausgewirkt hat. Ich musste endlich nicht mehr gegen die Lautstärke im Proberaum ankämpfen, sondern konnte auch mal ganz leise agieren. Das wiederum hat dafür gesorgt, dass ich einen viel melodischeren Ansatz verfolgt habe.“ 

Kleines mit großer Wirkung

Was der elegant gekleidete Sänger und Gitarrist hier beschreibt, ist eine Kleinigkeit mit großer Wirkung: Auf ihrem mittlerweile siebten Longplayer verzichten Interpol auf ihr Markenzeichen, das sie in den frühen 2000ern neben The Strokes, The White Stripes, The Vines und The National zu einer der wichtigsten Indierockgruppen gemacht hat: undurchdringliche Klangwände aus morbidem Rock noir. Stattdessen geben sich Banks, Gitarrist und Keyboarder Daniel Kessler und Drummer Sam Fogarino ungewohnt introvertiert, zuversichtlich und minimalistisch. Ihr Motto lautet: „Weniger ist mehr.“ Der Sound muss die Stücke nicht mehr bis in den letzten Winkel ausfüllen, man lässt auch einfach mal den Raum wirken – ein Ansatz frei nach den Red Hot Chili Peppers und ihrem exzentrischen Saitenkünstler, den Banks als wichtigen Einfluss bezeichnet: „Ich kann mich nicht mit John Frusciante vergleichen, aber mein Gitarrenspiel ist ebenfalls extrem simpel geworden, während ich gleichzeitig versuche, so viele Emotionen auszudrücken wie möglich. Insofern haben wir diesem Album nichts hinzugefügt, was nicht unbedingt notwendig war, und haben deshalb mehr Raum. Das Ganze zeigt, wo wir heute stehen: Wir wollen so viel wie möglich mit so wenig wie möglich erreichen.“

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