Seit dem Tod von Daevid Allen führt Kavus Torabi die Psych-Space-Legende Gong ins nächste Bandkapitel. Der Brite mit iranischen Wurzeln ist eine umtriebige, schillernde Figur der internationalen Psychedelic-Szene, beteiligt er sich doch neben Gong noch an diversen weiteren Bands, so etwa The Holy Family und The Utopia Strong. Zudem startete er 2020 eine Solokarriere, die er nun mit dem zweiten Album „The Banishing” vorantreibt. Ein komplett im Alleingang produziertes Album, auf dem Torabi die – nach eigenem Bekunden – härteste Phase seines Lebens verarbeitet.
Der Zoom-Bildschirm zeigt es: Es ist sonnig draußen auf dem Lande, irgendwo in England. Kavus Torabi ist gut aufgelegt, genießt die Ruhe abseits der hektischen Metropole London. Doch der Sänger und Gitarrist ist nicht ganz freiwillig aufs Land gezogen. Sein Leben nahm während der Pandemie eine für ihn äußerst unerfreuliche Wendung, von der er auch ganz freimütig erzählt. Denn schließlich hatte sie auch großen, wenn nicht sogar den entscheidenden Einfluss auf sein neues Soloalbum „The Banishing”, das zweite nach dem 2020er „Hip To The Jag“.
eclipsed: Du bist im April als „Artist in Residence“ beim renommierten Roadburn Festival im niederländischen Tilburg aufgetreten und hast zwei verschiedene Shows gespielt.
Kavus Torabi: Die große Show war eine Auftragsarbeit. Ich habe beim Roadburn Festival schon vier Mal zuvor gespielt, mit Guapo, mit Gong und auch mit The Holy Family. Es ist ein Festival, das ich wirklich liebe. 2022 hat mich Walter, der Organisator des Festivals, gefragt, ob ich 2023 eine Auftragsarbeit für das Festival aufführen würde. Aber 2023 war ich einfach zu beschäftigt. Da habe ich z.B. mit Steve Hillage gearbeitet. Also haben wir die Auftragsarbeit um ein Jahr auf 2024 verschoben. Im Grunde ging es darum, ein exklusives Musikstück zu schreiben, das auf dem Festival zum ersten Mal aufgeführt wird. Ich hatte völlig freie Hand. Meine Idee war, dass ich Musiker aus all den verschiedenen Kontexten dabeihaben wollte, in denen ich Musik mache. Ich habe also versucht, eine Art Dream Band zusammenzubringen. Ich wollte schon immer mal etwas mit zwei Schlagzeugern machen. Der Gong-Drummer Cheb Nettles und der Drummer von The Holy Family, Joe Lazarus, sind zwei wirklich brillante Schlagzeuger. Ich dachte, diese beiden zusammenzubringen wäre großartig. Ich wollte ein besonderes, magisches Musikstück schreiben. Außerdem sind Bassist Sam Warren von The Holy Family und Michael J. York von The Utopia Strong, der Dudelsack und Synthesizer spielt, dabei. Dann noch Josh Perl von Knifeworld an Saxophon, Klarinette und E-Bow. Anfang dieses Jahres habe ich begonnen, das Stück zu schreiben. Ich hatte zwei Monate. Das Stück dauert eine Stunde. Es war so viel daran zu tun. Ich wollte es nicht wie bei Knifeworld machen, wo ich alles geschrieben hatte. Ich wollte nur das grobe Gerüst und ein paar ausgewählte Teile schreiben und Elemente der Improvisation einbinden – sowie die verschiedenen Denkweisen, die eine Band wie diese hat. Das sind alles so großartige Musiker, dass ich mit ihnen bei den Proben nur die Grundideen durchgegangen bin, und selbst ich konnte da noch gar nicht ahnen, wie toll das fertige Stück dann sein würde. Ich machte mir so viele Sorgen vorher. Ich habe bisher nichts in dieser Größenordnung gemacht und wusste nicht, ob das wirklich klappt. Und dann bin ich mit Gong auf Tour gegangen. Aber über die verschiedenen Proben haben wir das Stück zum Leben erweckt. Ich hätte gern noch ein paar Tage mehr geprobt. Am Ende hat es gut funktioniert. Das war in Tilburg auch genau das richtige Publikum für so ein Stück. Jetzt ist es Teil der Vergangenheit, es hat so gut geklappt. All die Sorgen sind nun weg. Ich möchte es auch gern aufnehmen. Die zweite Show war dann kleiner. Es war eine Solo-Show, in der ich die Songs von „The Banishing“ und meines ersten Albums gespielt habe.
eclipsed: Neben all den psychedelischen Sounds klingt dein neues Album „The Banishing“ an einigen Stellen richtig erhebend und optimistisch. War das so geplant?
Torabi: Meine Soloalben sind extrem autobiografisch geworden. Für mich ist das eine Reise durch das, was ich in der Lage bin zu tun. Als Komponist, als Songwriter, als Performer, als Produzent, als Tontechniker, als Sänger. Ich spiele alle Instrumente darauf. Und auch als Künstler, denn ich habe zudem das Artwork und das Lettering selbst gemacht. Es ist eine Art des Wachsens, des Tiefer-Eintauchens. Was kann ich ganz allein leisten? Mit meinem ersten Album „Hip To The Jag“ ging das los. Ich wollte mich weiterentwickeln und besser werden, als Texter, als Sänger, als Produzent. Ich wollte bessere Songs schreiben. Es ist gerade die härteste Phase in meinem Leben. Die Lyrics dokumentieren, dass ich getrennt von meiner Familie lebe. Während des Lockdowns wurde die Beziehung zu meiner Frau und meiner Tochter aus verschiedenen Gründen immer schwieriger, und irgendwann ging es nicht mehr. Ich musste sie verlassen. Das wurde zum übergeordneten Thema des Albums. Ich wollte kein Album voller Selbstmitleid. Ich wollte schon mich selbst verstehen. Ich verspüre immer noch so viel Schmerz. Da ist auch Schmerz auf dem Album, aber ich wollte diesen Schmerz in etwas Positives umwandeln. Das wurde dann das Ziel des Albums. Das Album erklärte mir, was mit mir passiert ist. Der Albumtitel bezieht sich natürlich darauf, von zu Hause verbannt worden zu sein. Aber auch auf eine Art Verbannungsritual: Das Album soll die Schmerzen vertreiben. Es sollte etwas Schönes dabei herauskommen. Ich hoffe, das Album bewegt. Zumindest mich bewegt es. Es ist ein extrem emotionales Album.
eclipsed: Hat dir die Arbeit am neuen Album geholfen, aus dieser persönlich sehr schweren Zeit herauszukommen?
Torabi: Ja, auf jeden Fall. Als ich die Arbeit daran begann, fühlte ich mich wie ein Verrückter. Und das war ich auch. Als ich mit dem Album fertig wurde, war ich wieder relativ gesund. Das hat auch damit zu tun, wo ich jetzt lebe. Zum ersten Mal in meinem Leben lebe ich draußen auf dem Lande. Ich habe gelernt, die Einsamkeit zu mögen. Ich habe zuvor 30 Jahre in London gelebt. Die Musik war wirklich heilsam. Es war schon seltsam. Der ganze Arbeitsprozess war wie ein Dialog mit mir selbst.
Das komplette Interview ist Teil unseres Online-Abos, mehr Informationen unter: https://www.eclipsed.de/de/abo