Bei der Erwähnung des Namens LIQUID TENSION EXPERIMENT schlagen die Herzen vieler Instrumental-Prog-Fans höher. Steht diese All-Star-Band, die sich aus Mitgliedern von Dream Theater (John Petrucci, Jordan Rudess), King Crimson (Tony Levin) und Transatlantic (Mike Portnoy) rekrutiert, doch seit 1998 für musikalischen Hochleistungssport und zugleich für Melodien, die langfristig im Gedächtnis bleiben. Anlässlich der Veröffentlichung des Comebackwerks „Liquid Tension Experiment 3“ sprachen wir mit Bassist Tony Levin und Keyboarder Jordan Rudess, die auch im fortgeschrittenen Alter – Levin ist 74, Rudess immerhin 64 – vielen jüngeren Instrumental-Virtuosen zeigen, wo der Hammer hängt.
Tony Levin meldet sich via Zoom aus seinem sonnendurchfluteten Musikzimmer in New York und gewährt dabei einen Blick auf seine Instrumentensammlung, darunter ein E-Kontrabass, den er einst bei Peter Gabriel einsetzte. Konzentriert und mit einem Anflug von Ironie beantwortet er die ihm gestellten Fragen, wobei er keinen Zweifel daran lässt, dass Liquid Tension Experiment für ihn kein bloßes Projekt ist, sondern eine echte Band. Diese war bei den Aufnahmen zu „LTE 3“ offenbar dermaßen inspiriert, dass gar noch eine 55-minütige Bonus-CD entstand, die eine Auswahl der besten Jams enthält. Levin zeigt sich begeistert von der zwischenmenschlichen Chemie, die bei den Sessions herrschte und sich auch auf die Stücke übertrug.
eclipsed: Liquid Tension Experiment haben sich bereits 2008 kurzzeitig wiedervereint, aber nach Mike Portnoys Ausstieg bei Dream Theater 2010 sah es nicht danach aus, dass ihr noch einmal zusammenkommen würdet. War Mikes Versöhnung mit seinem früheren Dream-Theater-Kollegen John Petrucci ausschlaggebend dafür, dass ihr wieder gemeinsam ins Studio gegangen seid?
Tony Levin: Darüber weiß ich eigentlich gar nichts. 2008 haben wir eine großartige Tour absolviert, und in den Folgejahren habe ich die Jungs gelegentlich getroffen. So habe ich mit Mike bei der „Cruise To The Edge“-Kreuzfahrt gejammt und zwei Alben mit Jordan Rudess aufgenommen. Im vergangenen Mai hatten Jordan und Mike dann die Idee, ein neues Album aufzunehmen, weil sich ein längerer Lockdown abzeichnete. Als sie John und mir diesen Vorschlag unterbreiteten, sagten wir sofort: „Das müssen wir unbedingt machen!“ Die einzige Hürde war, dass wir angesichts von Corona unter sicheren Bedingungen aufnehmen mussten, aber dafür fanden wir eine Lösung. Wir spielten dann innerhalb von drei Wochen das Album ein, und sobald wir eingestöpselt waren, klang es nach Liquid Tension Experiment. Genau das mag ich bei einer Band: wenn sie einen eigenen Charakter hat.
eclipsed: Mit Liquid Tension Experiment zu spielen, heißt auch, viele Noten zu spielen. Wie hast du dich auf die Sessions vorbereitet? Hast du spezielle Übungen für den Bass und den Chapman Stick konzipiert, um gut gerüstet zu sein?
Levin: (lacht) Ich kann mich gar nicht vorbereiten, denn ich bin spieltechnisch nicht ganz in derselben Liga wie die anderen und könnte auch gar nicht so viel üben, um an diesen Punkt zu gelangen. Normalerweise bin ich dauernd on the road, aber letztes Jahr war ich von März bis Juni zu Hause – in dieser Zeit nahm ich zwar einige Sachen auf, aber ich spielte nicht annähernd so viel wie sonst. Da du gerade den Chapman Stick erwähnt hast: Ich habe herausgefunden, dass ich auf dem Stick schneller als auf dem Bass spielen kann, weshalb ich ihn gerne bei schnellen Riffs verwende – wie beim Albumopener „Hypersonic“.
eclipsed: Dieses Stück habt ihr vorab auf YouTube eingestellt, und gleich beim ersten Hördurchgang war ich total von den Socken.
Levin: Ja, das ist eines dieser Stücke, bei denen wir es richtig krachen lassen. Als es bei unserem ersten Album darum ging, einen Opener zu schreiben, sagten die anderen drei: „Lasst uns verrückt sein und das Eröffnungsriff so schnell und lang wie möglich spielen.“ Dieses Mal sagten sie dasselbe (lacht) – aber das Riff ist noch schneller, noch länger und noch verrückter!