MARILLION - Am Ziel

3. September 2018

Marillion

MARILLION - Am Ziel

„Der Auftritt in der Royal Albert Hall war in vier Minuten ausverkauft“, staunt Steve Hogarth noch heute. „Die Anfragen für Tickets kamen aus der ganzen Welt. Ich bin noch immer verblüfft, dass Marillion eine solch starke Fanbasis haben.“ Den Grundstein dafür legte die 1979 gegründete britische Band mit ihrem ersten Frontmann Derek William Dick, besser bekannt als Fish. Mit ihm erlebte sie ihren internationalen Durchbruch. Zehn Jahre später übernahm Steve Hogarth das Mikro, das er seitdem nicht mehr aus der Hand gegeben hat. Hogarth war (und ist) nicht unumstritten als Nachfolger des charismatischen Schotten. Fishs Gesang, seine Texte und seine Bühnenperformance waren für Marillion identitätsstiftend. Doch Hogarth hat letztlich dadurch überzeugt, dass er Fish eben nicht kopiert, sondern als Sänger und Bühnenfixpunkt ganz eigene Akzente setzt. Mit ihm räumte die Gruppe in der Royal Albert Hall ab, mit ihm glänzte sie bei zahllosen Shows zuvor. Dass der Moment im 1871 eröffneten Prachtbau im Stadtteil Kensington ein besonderer für Musiker und Zuschauer war, zeigen die Ton- und Bildaufnahmen von „All One Tonight“. Marillion spielten im ersten Set ihr aktuelles Studioalbum „F.E.A.R.“ in voller Länge, im Anschluss unter dem Motto „In Praise Of Folly And Guests“ Bandklassiker aus drei Jahrzehnten. Nein, Fish-Songs waren keine darunter. Wozu auch.

eclipsed: Woran erinnerst du dich, wenn du an den 13. Oktober 2017 denkst?

Steve Hogarth: An sehr viel! Seit ich den Entschluss fasste, Musiker zu werden – da war ich noch ein kleiner Junge –, wollte ich in der Royal Albert Hall auftreten. Als der Termin stand und wir ab Mittag schüchtern in der Halle umherstreiften, um uns mit ihr vertraut zu machen, fühlten wir uns wie eine Schülerband, die gleich ihren ersten Auftritt absolvieren muss. Doch je näher das Konzert rückte, desto mehr ließ unsere Nervosität nach. Geholfen hat dabei sicherlich, dass wir am Nachmittag das komplette Set schon einmal für das Kamerateam, ohne Publikum, brachten. Wir spielten uns warm und sagten uns: Hey, jetzt haben wir diesen Gig schon mal hinter uns. Sollte der am Abend in die Hose gehen, waren wir zumindest hier. Ab dem Moment war alles ganz entspannt.

eclipsed: Es ist also auch für erfahrene, erfolgreiche Rockmusiker eine Ehre, in der Royal Albert Hall zu spielen?

Hogarth: Absolut! Dieser magische Platz wurde 1871 eröffnet, er ist eine Art Herzstück der Londoner Kultur. Okay, die Akustik ist nicht perfekt. Für klassische Musik mag sie passen, aber nicht für Rock. Deshalb muss man sich mit dieser ungewöhnlichen Halle arrangieren. Im Gegenzug bietet sie dem Musiker eine außergewöhnliche, unvergleichliche Atmosphäre. Die Royal Albert Hall ist eine Kathedrale. Nicht für Gott, aber auf jeden Fall für jeden seriösen Musiker.

eclipsed: Zum Einstieg habt ihr „F.E.A.R.“ in voller Länge gespielt. Warum?

Hogarth: Das war im vergangenen Jahr nun mal unsere gerade erschienene Platte, und wir lieben sie bis heute. Auch die Reaktionen und die Verkaufszahlen waren fantastisch. Deshalb wollten wir die Platte in ihrer Gänze zelebrieren. Es ist ja ein sehr politisches Werk, in erster Linie geht es dabei um Protest. In einer politikverdrossenen Zeit wie dieser schien es uns unumgänglich, mit der Aufführung von „F.E.A.R.“ ein Zeichen zu setzen. Wir wollen damit zum Denken anregen, hoffentlich auch zum Handeln. Was man von einer Progband nicht unbedingt erwartet. Aber, hey, scheiß auf Erwartungshaltungen in einer politisch durchgeknallten Zeit!

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