PETE TOWNSHEND - Das Zeitalter der Angst: Ein Kunstroman

11. September 2020

Pete Townshend The Who

PETE TOWNSHEND- Das Zeitalter der Angst: Ein Kunstroman

Neben seiner Haupttätigkeit bei The Who hat sich Pete Townshend in den letzten Jahren als Lektor für diverse Verlage ein „Zubrot“ verdient. Aus der Nebentätigkeit wurde eine Passion, die er nun mit seinem ersten Roman krönt. „Das Zeitalter der Angst: Ein Kunstroman“ soll zudem die Grundlage für eine kommende Rockoper darstellen.

Der folgende Buchauszug beschreibt ein Reunion-Konzert von Walter, der sich für lange Zeit aus dem Musikbusiness zurückzogen hatte, da ihn Visionen der Ängste anderer Menschen plagten. Zusammen mit seiner alten Band und seinem Vater entdeckt er nach 15 Jahren seine neue Kreativität und verwandelt die von ihm gehörten Klänge in greifbare, wenn auch verstörende Musik. Es ist der Beginn einer Befreiung. 

Buchauszug Pete Townshend (von Seite xxx bis Seite xx) 

[…] Eine Stimme erschallt bei einer riesigen Veranstaltung über die Lautsprecher der PA. „Willkommen an den Pforten der Hölle!“ Hölle. Das Inferno. Qual. Flammen. Eine Folterbank. Böses Gelächter. Körper, geschlagen, versengt, niedersackend, fallend. Ein grässlicher Chor. Eine E-Gitarre, stranguliert, sich quälend. Eine unglaubliche Orgel. Das dumme Gebrüll einer Fußballmeute, einer islamischen Horde, eine Pfingstprozession. Ein Prediger, der „die Teufel vertreibt“. Aspiranten, die ein Kauderwelsch stammeln. Menschenmassen, die wütend in Chören schreien, bei vielen ganz verschiedenen Demonstrationen. Hippie-Drummer, native Drummer trommeln, donnern, vereinen sich zu einer aufsteigenden Wut, aufgepeitscht durch den Rhythmus, sich verwandelnd in eine Old-School-Rock’n’Roll-Band, die bis an die äußerste Grenze geht. Das ist ein gewaltiger Sound. Es ist Pub Rock, vermischt mit Pomp Rock, Garage Punk, Prog Rock, God Rock, Road Rock, Hölle-auf-Erden-Rock, vermischt mit Acid, Garage, Rap. Dieses gewaltige, beängstigende und verstörende Soundscape wird zum Rap-Rock-Pop-Backing-Track der ausschweifendsten Exzesse des Stadion-Rock, Festival-Rock, Heavy Metal, Death Metal, von MTV, dem Zerschlagen von Gitarren und all der kindischen Scheiße …

Wir hatten uns alle an einer Seite der Bühne versammelt. Hier erlebten wir Walter das erste Mal seit über sechzehn Jahren bei einem Auftritt. Neben der Band hatten sich ein Orchester und ein Chor auf der Bühne platziert, und hinter ihnen stand eine große Kirchenorgel. Harry Watts spielte sie bei verschiedenen Passagen, oder er dirigierte die Musiker, die seine Orchestrierung von Walters Soundscapes umsetzten. [...] Als die einleitende Musik verklang und über den Park ambitionierte, wagemutige und moderne Orchestermusik und Orgelkaskaden hinweg schwebten, sah Frank Lovelace äußerst besorgt aus. Das Publikum reagierte nicht so, wie er es gehofft und Steve Hanson versprochen hatte. Patty Hanson winkte mit ihrem Tamburin und schwirrte in ihrem weiten, fließend herabfallenden Seidenkleid über die Bühnenbretter. Crow sah hart aus, wirkte ausgeschlossen, doch ich glaubte, einen Hoffnungsschimmer in seinen Augen zu entdecken. Natürlich wusste Crow, dass nur er Walter wie in den alten Tagen zum Spielen seiner Mundharmonika bringen konnte und auch zu seiner berühmtem Pose, dem Stand. Walter stand in der Bühnenmitte, sang, heulte sogar wölfisch und dirigierte das Orchester, wenn sein Vater die Orgel übernahm. Die von Harry engagierten Musiker spielten zusammen mit Crow, Steve und Patty Hanson, und Walter schien der Einzige zu sein, der auf der Bühne wenig zu tun hatte. Doch er war stolz, sichtlich bewegt, und wenn seine Stimme zum Einsatz kam, setzte er sie in einer neuen Stilistik ein. Statt wie früher zu singen, benutzte er sie wie ein Musikinstrument. Die Textpassagen ähnelten eher lyrischen Darbietungen, verglichen mit den Songs, die er für Stand damals im Dingwalls geschrieben hatte. In der Vergangenheit hatte Selena mir die fast unsichtbaren Geister Hunderter Wesen beschrieben, die sie in ihren Visionen sah, und an diesem Tag – als die Soundscapes Dimension um Dimension öffneten – glaubte ich, sie zu erkennen: kleine schemenhafte Wolken, die wie Rauch über das Firmament zogen, „suchend nach Seelen, die sie vereinnahmen konnten“, wie Selena wohl sagen würde. Die Wolken schlossen sich zusammen, verdichteten sich, und ich meinte, ein Dutzend Gesichter zu erkennen, die einen möglichen Gott dort oben offenbarten. Aber was konnte das sein, fragte ich mich, das, was sich beim Sonnenuntergang in den Schattierungen von Gold und Grau am Himmel entlangzog? Waren es die Scharen von Niks Engeln, die auf den Harvest warteten? Kehrte ich zu den alten Zeiten meines Wahnsinns zurück, oder erwartete ich ein Ereignis, ausgelöst durch Walters Soundscapes? 

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