POPOL VUH - Ein ewig suchender Visionär

10. Dezember 2021

Popol Vuh

POPOL VUH - Ein ewig suchender Visionär

Nachdem vor zwei Jahren im LP-Boxset „Vol. 1: The Essential Collection“ fünf wegweisende Alben des Krautrock-Projekts Popol Vuh um den spirituellen Visionär Florian Fricke wiederveröffentlicht wurden, folgt nun mit „Vol. 2: Acoustic & Ambient Spheres“ ein zweites, das vier weitere Werke des Musikerkollektivs enthält: zwei Soundtracks für Filme Werner Herzogs („Herz aus Glas“ und „Cobra Verde“), dazu den Klassiker „Seligpreisung“ sowie das unbekanntere Album „Agape – Agape“. Grund genug für eclipsed, das Phänomen Popol Vuh etwas näher zu beleuchten: Was macht die Musik Florian Frickes so einzigartig?

In den Liner Notes zum Boxset „The Essential Collection“ schreibt Dolf Mulder, dass die von Florian Fricke mit Popol Vuh aufgenommene Musik die eines Visionärs gewesen sei. Fricke habe nicht nur Elemente von elektronischer Musik über Progressive Rock bis hin zu fernöstlichen Klängen in seine Kompositionen integriert, sondern unter anderem auch den Weg geebnet für Genres wie Ambient, Trance oder Psychedelic Rock. Dass man Popol Vuh gemeinhin mit dem Moog-Synthesizer und somit der elektronischen Musik assoziiert, ist den mit diesem Instrument eingespielten ersten beiden Alben „Affenstunde“ (1970) und „In den Gärten Pharaos“ (1971) geschuldet. Ignoriert wird dabei aber, dass Fricke sich bereits auf der B-Seite der letzteren LP „organischen“ Sounds zuwandte und in der Folge auf Krautrock-Klassikern wie „Hosianna Mantra“ oder „Seligpreisung“ ausschließlich akustische Instrumente einsetze. 

Der Moog-Pionier

Dabei war Fricke seinerzeit nach Eberhard Schoener (der Ende der 1960er-Jahre tatsächlich nur einige Ecken entfernt von Fricke in der bayerischen Kleinstadt Miesbach wohnte) erst der zweite deutsche Musiker gewesen, der einen Moog-Synthesizer besaß. Kein Wunder, kostete das schwerfällige Instrument seinerzeit doch rund 60.000 DM. Da Frickes Frau Bettina von Waldthausen aus einer wohlhabenden Familie stammte, gönnte sie sich den Luxus, ihrem Gatten – der Klavier am Konservatorium studiert hatte, Ende der 60er-Jahre aber zunächst als Filmkritiker für den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ arbeitete – ein solches Gerät zu schenken. 

Mithilfe des außerweltlich anmutenden Sounds dieses Synthesizers suchte Fricke nach neuen Wegen des spirituellen Ausdrucks; das spacige Klangergebnis entsprang allerdings nicht zuletzt der kaum zu meisternden Bedienung des Moog, die Fricke zwang zu experimentieren. „Für uns bedeutet der Moog-Synthesizer die Möglichkeit, Klänge zu erzeugen, die wir noch nie gehört oder auch nur vermutet haben“, erklärte er Anfang der 70er-Jahre. „Man kann etwa sieben Milliarden verschiedene Klänge erzeugen, und jeder Klang steht für ein anderes Gefühl, das man haben könnte. Die Musik, die man mit dem Moog machen kann, umfasst einfach die Möglichkeiten des menschlichen Empfindens.“
Den Namen seines Projekts – es als Band zu bezeichnen, fällt schwer, da das häufig wechselnde Personal sich stets ausnahmslos den musikalischen Visionen Frickes fügte – lieh er sich vom heiligen Buch der Maya, dem „Popol Vuh“ („Buch des Rates“), in dem er nach spiritueller Erleuchtung suchte. 

Fricke spielte „Affenstunde“ in seinem Miesbacher Haus ein, perkussiv unterstützt von Holger Trülzsch, während Frank Fiedler für die Stereoabmischung der Synthesizertöne zuständig war. Die Rückseite des Covers illustriert, was Fricke und seine Mitstreiter unter gemeinsamem Musizieren verstanden – eine Szene, die Krautrockhistoriker David Stubbs leicht süffisant folgendermaßen beschreibt: „Fricke im ärmellosen Schafsfelloberteil, der sich wie ein Funkamateur um seinen Moog kümmert, der Schlagzeuger Holger Trülzsch, in afghanisches Fell gehüllt, sitzt rittlings auf seinen Trommelfellen, während Bettina Fricke, Florians Frau, die das Album mitproduziert und das Cover gestaltet hat, sich um ihre Tabla kümmert.“ Ein großer Erfolg wurde das Album indes nicht; seinerzeit wurden lediglich 3.000 Exemplare verkauft ...

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