Ein erstes Studioerzeugnis von ihnen lässt auf sich warten. Als Live-Act jedoch überzeugt die Yes-Formation um Jon Anderson, Trevor Rabin und Rick Wakeman bereits seit 2016 auf ganzer Linie. Der Mitschnitt „Live At The Apollo“ dokumentiert jetzt erstmals die Bühnenqualitäten des Yes-Spaltprodukts. Es wirft die Frage nach den wahren Hütern des reichen Erbes der Progressive-Rock-Pioniere auf.
Yes sind ein eigener Kosmos. Im Gegensatz zu Genesis, denen im Grunde einfach immer mehr Originalmitglieder abhandenkamen, hat das Konkurrenzunternehmen beständig neue Musiker, allesamt Meister ihres Fachs, akquiriert. Der erste große Umbruch vollzog sich bei Yes in den Achtzigern. Beim Album „Drama“ wurden Jon Anderson und Rick Wakeman durch Trevor Horn und Geoff Downes ersetzt. Drei Jahre später gingen sie wieder, Anderson kam zurück, ebenso Gründungsmitglied Tony Kaye, und für Steve Howe war jetzt Trevor Rabin mit dabei. Nach „Big Generator“ stieg Anderson erneut aus und tat sich mit Bill Bruford, Wakeman und Howe zusammen. Aus dem Umbruch war ein Bruch geworden: Es existierten de facto zwei Yes-Formationen. Die zweite Zäsur erfolgte 2008 mit dem krankheitsbedingten Abgang Andersons. Der Tod Chris Squires 2015 trieb Anderson dazu, der sich inzwischen mit Rabin und Wakeman zusammengetan hatte, das neue Bandprojekt endlich ans Laufen zu bringen. Seit 2017 spielen sie unter dem Namen Yes featuring ARW.
eclipsed: Warum habt ihr gerade das Konzert in Manchester im Frühjahr 2017 für eure erste Veröffentlichung mitschneiden lassen?
Rick Wakeman: Zunächst entschied Trevor, dass wir vor einer Studioplatte auf einer Konzertaufnahme festhalten sollten, wofür unsere Yes-Inkarnation steht, wie wir diese Musik spielen. Dann haben wir uns die Spielorte angesehen, und das Manchester Apollo hat sich besonders deshalb angeboten, weil es die besten Stellplätze mit den besten Perspektiven für Kameras bereithält.
eclipsed: In der Setlist findet sich Material von den Siebzigern bis zu den frühen Neunzigern. Wie geht ihr diese unterschiedlichen Perioden an?
Wakeman: Es ist schon interessant, denn abgesehen von der „Union“-Tour, wo gleich acht von uns auf der Bühne standen, haben Trevor und ich nie zusammen live gespielt. Als die Idee mit ARW aufkam, kam Trevor zum Lunch zu mir nach England. Wie machen wir das? Die Musik, bei der ich dabei war und er nicht oder umgekehrt? Worauf er sagte: „Was ist denn deine Befürchtung?“ Ich antwortete: „Dass du versuchst, wie Steve Howe zu spielen“. Er meinte dann, dass wir versuchen müssen, unseren eigenen Touch in die jeweils andere Musik einzubringen, ohne deshalb das, wofür die Musik ursprünglich stand, aufzugeben.
eclipsed: Was heißt das konkret?
Wakeman: Wir kamen zu dem Schluss, dass bei all diesen großen Stücken wie „And You And I“, „Heart Of The Sunrise“, „Roundabout“ oder „Awaken“, wo Trevor nicht gespielt hat, er natürlich die darin enthaltenen typischen Gitarrenlinien wiedergeben müsse. Gleichzeitig sollte er sich vorstellen, dass er bei den Originalaufnahmen mit im Studio gewesen wäre. Ich habe dann exakt das Gleiche mit Trevors Stücken wie „Rhythm Of Love“, „Changes“ oder natürlich auch „Owner Of The Lonely Heart“ getan. Das brachte die Tracks buchstäblich in einen anderen Klangraum, besonders „Awaken“.