1994 kam die vielleicht größte Postrockband auf die Welt, ausgerechnet in Reykjavík auf der dünn besiedelten Insel Island. Ihre Alben „Ágætis Byrjun“, „( )“ und „Takk...“ definierten zwischen 1999 und 2005 maßgeblich das Genre. Der elfenhafte Falsettgesang von Jón Þór „Jónsi“ Birgisson, der zudem seine Gitarre mit dem Cellobogen spielt, und die ambienthaften Klangstrukturen, die zum Sterben schöne melancholische Melodien und Entschleunigung zum zentralen Motiv machen, haben der Band eine Ausnahmestellung und glühende Verehrer verschafft. Doch nach dem Ausstieg von Kjartan „Kjarri“ Sveinsson 2013 und dem noch im selben Jahr folgenden ungewöhnlich aggressiven Werk „Kveikur“ wurde die Handbremse angezogen. Persönliche Katastrophen stellten das Weiterleben der Band in Frage: 2018 gab es den Vorwurf der Steuerhinterziehung, was in Gänze erst 2023 geklärt werden konnte.
Corona sorgte bei der deutsch-niederländischen Formation nicht nur für eine Tour-Zwangspause, sondern bei Sänger und Bandmitbegründer Arno Menses zudem für eine fette Schreibblockade und für einen Personalwechsel am Bass. Gegenüber eclipsed erzählt der Niederländer, wieso sich die etwas widrigen Umstände trotzdem positiv auf das kreative Schaffen der Band auswirkten.
eclipsed: Der totale Stillstand hat euch mitten in der Arbeit am neuen Album getroffen ...
Arno Menses: Wir haben natürlich trotzdem Songs geschrieben, konnten aber nicht viel damit anfangen, weil ja selbst ein Studiobesuch nicht möglich war. Das hat eine Delle in die Timeline gebracht. Wir hatten so aber auch mehr Zeit zum Nachdenken und Feilen. Ich glaube, dass sich das am Ende lohnte.
eclipsed: Wie hat sich das Ganze auf eure Arbeitsweise ausgewirkt?
Man mochte meinen, größer ginge es nicht mehr. Doch für Collapse Under The Empire gibt es anscheinend nichts, das sich nicht noch steigern ließe: Nach dem Vierfach-Vinylset „The End Of Something“ von 2019, das bereits als eine Art Werkschau der Hamburger Postrocker durchgehen konnte, legen sie jetzt mit „Works 08-23“ nach – einer Box, die nicht weniger als elf Vinylplatten mit sämtlichen Aufnahmen des Duos Martin Grimm und Chris Burda enthält: alle LPs, EPs und Singles plus bislang Unveröffentlichtes. Die Verwirklichung einer fixen Idee? „Fix war die Idee allerdings nicht“, erwidert Martin Grimm.
Im Englischen ist „bumper book“ die Bezeichnung für ein prall gefülltes Buch bzw. eine umfangreiche Sonderausgabe. Das britische Prog-Quartett I Am The Manic Whale spielt darauf mit dem Titel seines vierten Albums an, das wie eine Sammlung von Kurzgeschichten konzipiert ist, die auf geheimnisvollen Ereignissen basieren und in farbenfrohe Arrangements eingebettet sind. Wir sprachen mit Sänger/Bassist Michael Whiteman, der für ein launiges Interview zur Verfügung stand und nebenbei verriet, dass ihn der „Artikel des Tages“ auf Wikipedia schon öfters zu Texten inspiriert habe.
eclipsed: Das neue Album „Bumper Book Of Mystery Stories“ wurde von „The Boys’ Life Book Of Mystery Stories“ inspiriert, das du 1993 in einem Bücherantiquariat gefunden hast ...
Ein Thema kann gleich zu Beginn abgehakt werden: Er komme gerade aus Cornwall zurück, wo er an neuem Material für Oblivion Protocol gearbeitet habe, berichtet Richard West auf die Einstiegsfrage, womit er sich derzeit befasse. Das Album „The Fall Of The Shires“ wird also kein „Einzelkind“ bleiben – sein neues Projekt ist längerfristig angelegt. Aber ist „Projekt“ dafür überhaupt der richtige Ausdruck? Die Plattenfirma spricht von einer „Supergroup“. Mit dieser Bezeichnung kann der englische Musiker leben, auch wenn sich Oblivion Protocol wie jede andere neue Band erst noch bewähren müsse. Im Übrigen bezeichnet er die anderen Mitglieder – die erst angefragt wurden, nachdem die Plattenfirma Interesse an seinem Material gezeigt hatte – als „gute Freunde“: Drummer Darby Todd (Devin Townsend) wohnt nahebei, mit Bands des Gitarristen Ruud Jolie (u.a. Within Temptation) gaben Threshold schon Konzerte, außerdem wirkte er bei Wests Projekt League Of Lights mit.
Schon unter seinem Pseudonym Johnny Rotten war er das Enfant terrible der britischen Rock-Szene, und bis heute liebt er die Provokation, etwa mit polarisierenden Aussagen zu Boris Johnson oder Donald Trump. Dabei ist John Lydon eigentlich ein sehr umgänglicher Typ, freundlich, lustig, ein wenig geschwätzig, aber sehr verbindlich. Vor allem jedoch lebt in ihm ein veritables Stück Rockgeschichte. Auf „End Of World“, dem neuen Album seiner Band Public Image Ltd, wird der alte Bürgerschreck sich dieses Umstands offenbar auch selbst bewusst. Sitzt man John Lydon gegenüber, fällt es zunächst schwer, diesen gesetzt wirkenden Mittsechziger mit dem einstigen Großmaul der Sex Pistols zu synchronisieren. Sowie aus seinen Augen jedoch angriffslustige Blitze schießen, ist er wieder ganz der Alte. Wobei sich diese Blitze nicht gegen seinen Gesprächspartner richten, sondern gegen die Verhältnisse, die Moral, das Business und die allgemeine Auffassung von Geschichte und Gegenwart.
Nach dem bejubelten Debüt auf dem Burg Herzberg Festival und mitten in einer rauschenden Club-Tour durch Europa, die noch bis zum 8. Oktober gehen soll, stellte sich der gut gelaunte Bandgründer und Frontmann Robert Jon Burrison unseren Fragen.
eclipsed: Ihr habt eure Fans im Sommer mit „West Coast Eyes“ überrascht. Der Song fällt durch superentspanntes Feeling auf, klingt im ersten Moment gar nicht nach euch.
Robert Jon Burrison: (lacht) Findest du? Nun, wir waren in Nashville, arbeiteten mit Buddy Guy und Leuten aus seinem Umfeld. Es war eine besondere und sehr entspannte Zeit. Dieses Gefühl ist dann in dem Song rübergekommen, den wir in dieser Zeit gemeinsam geschrieben haben. Vielleicht ist er nicht unbedingt typisch für uns, reflektiert die damalige Zeit aber ziemlich gut. Und die Leute scheinen ihn zu mögen.
eclipsed: Warum habt ihr den Song nicht auf dem Herzberg gebracht?