40 Jahre MARILLION - Von Hofnarren, Angst und dem Ende der Jahreszeiten

18. November 2019

Marillion

40 Jahre MARILLION - Von Hofnarren, Angst und dem Ende der Jahreszeiten

2019 feiern Marillion ihr 40-jähriges Bestehen. Und auch die zweite Inkarnation der Band begeht ein rundes Jubiläum: „Seasons End“, das erste Album mit dem neuen Frontmann Steve Hogarth, erschien am 25. September 1989 und war der Startschuss zum ereignisreichen zweiten Leben einer Band, die zu diesem Zeitpunkt viele schon abgeschrieben hatten. Zudem erscheint eine umfangreiche Box, die sich dem „Afraid Of Sunlight“-Album widmet, das wiederum kurz vor seinem 25. Geburtstag steht. Es gibt also genug Gründe, sich intensiv der Geschichte dieser einzigartigen Band zu widmen. Wir wollen einerseits Marillions unwahrscheinliche Karriere entsprechend würdigen, andererseits aber auch einen besonderen Blick auf die turbulente Phase der Neuorientierung und den Fixstern „Seasons End“ werfen. Zu diesem Zweck sprachen wir mit den beiden Sängern sowie mit Gitarrist und Gründungsmitglied Steve Rothery über eine der faszinierendsten Bands der Welt und ihre 40-jährige Geschichte.

Wird man heutzutage mit einem Marillion-Shirt gesehen oder erwähnt den Namen der Band in Gesprächen mit Leuten, die mit der progressiven Musikszene nicht so vertraut sind, so kommt irgendwann unweigerlich die Frage: „Gibt’s die noch? Das sind doch die mit ‚Kayleigh‘!“ Was wiederum zweierlei beweist: Erstens, dass die Band sich seit gut dreißig Jahren unter dem Radar des Mainstreams bewegt. Und zweitens, dass der Name trotzdem noch präsent ist, eben wegen dieses einen Welthits. „Ich treffe manchmal junge Frauen, die Kayleigh heißen“, lacht Fish. „Und ich sage dann: ‚Weißt du was? Du wurdest nach einem Song benannt, den ich geschrieben habe!‘ Und doch hat der Song wenig mit dem zu tun, wofür Marillion in den 1980ern standen. Aber ich finde ihn trotzdem noch großartig.“

Gegründet im Jahr 1979 von Schlagzeuger Mick Pointer und Gitarrist Steve Rothery, kam die Band erst in Fahrt, als im Januar 1981 der hünenhafte Schotte Derek William Dick einstieg und unter dem Pseudonym Fish seine poetischen Texte zu einem Sound beisteuerte, der eigentlich vollkommen aus der Mode war. „Wir sind da aber in eine Lücke gestoßen“, erinnert sich Gitarrist Steve Rothery. „Die jüngeren Geschwister der Punk- und New-Wave-Fans wollten etwas Eigenes entdecken, und wenn Heavy Metal nicht so ihr Ding war, waren sie bei uns und Bands wie Pallas, Twelfth Night oder Pendragon gut aufgehoben.“ Marillion erkannten das Bedürfnis des Publikums nach der Musik ihrer 70er-Helden wie Genesis oder Yes und arbeiteten hart daran, ihren Sound zu perfektionieren. Auch deswegen musste Mick Pointer, der Gründer der Band, weichen, da man der Meinung war, sein Schlagzeugspiel sei einfach nicht gut genug gewesen. „Mit ‚Garden Party‘ waren wir plötzlich im Mainstream“, berichtet Rothery, „und von da an war es ein kontinuierlicher Weg nach oben.“ Mit der Single „Kayleigh“ und dem Erfolgsalbum „Misplaced Childhood“ kam dann auch der internationale Durchbruch, und plötzlich waren eine lupenreine Neoprog-Band und ihr theatralischer Sänger zu Popstars geworden.

Fish verlässt die Hoheitsgewässer

Doch der Ruhm entfremdete die Musiker zunehmend von ihrem Frontmann. Wer nun woran schuld war – ob es Fishs Arroganz und Größenwahn waren, an denen die Band zerbrach, oder der Unwillen der vier eher introvertierten Musiker, den schwierigen Charakter ihres extrovertierten und trinkfesten Frontmanns weiter mitzutragen –, das ist bis heute Gegenstand zahlreicher Rock-Legenden. Tatsache ist, dass „Clutching At Straws“ (1987) das letzte Studioalbum des Quintetts in dieser Besetzung wurde. Obwohl Marillion damals weiterhin große Hallen füllten, schrieb Fish einen Brief an seine Kollegen und den Bandmanager, in dem er seine Beweggründe dafür darlegte, nicht mehr Teil der Gruppe sein zu wollen. Die Folge: Fish ging im Streit, anschließend herrschte jahrelang Funkstille.
Doch was folgte, ist eine noch unwahrscheinlichere Geschichte. Schnell hatten sich Marillion mit Steve Hogarth einen neuen Sänger gesucht. Dieser hatte zuvor in den nur mäßig erfolgreichen Bands How We Live und Europeans gespielt und war den wenigsten Fachleuten ein Begriff. Doch in den dreißig Jahren seit dem Release des Hogarth-Debüts „Seasons End“ haben Marillion musikalisch wie kommerziell neue Wege aufgezeigt, sich stetig weiterentwickelt und immer wieder Neues gewagt. Die Band bewegte sich weg vom traditionellen Prog und entwickelte eine zunehmend auf Jams basierende Kompositionsweise, welche die Songs offener und epischer machte. Vor allem aber verschloss sie sich niemals aktuellen Einflüssen; das ging auch mal schief, funktionierte aber meistens hervorragend.

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