BETH GIBBONS singt HENRYK GÓRECKIS SINFONIE NR. 3

19. März 2019

Beth Gibbons Portishead

BETH GIBBONS singt HENRYK GÓRECKIS SINFONIE NR. 3

2016 wagte sich Colin Stetson an eine Neuinterpretation von Henry Góreckis Sinfonie Nr. 3. Das war deshalb ungewöhnlich, weil der US-Saxofonist einer breiteren Öffentlichkeit bis dahin nur durch seine Zusammenarbeit mit Popacts wie Arcade Fire bekannt war. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Portisheads Beth Gibbons den schwierigen Gesangspart in jener berühmten „Sinfonie der Klagelieder“ übernommen. Die Liveaufnahme ihrer Performance im Opernhaus des Teatr Wielki in Warschau wird jetzt erstmals veröffentlicht.

Seit Ende der Sechziger versuchen sich Rock- und Popmusiker immer wieder an klassischen Kompositionen, die sie mal werkgetreu, mal deutlich modifiziert aufnehmen. Beispiele hierfür sind Emerson, Lake & Palmers Bearbeitung von Mussorgksis „Bilder einer Ausstellung“, Stings Interpretation von John Dowlands Liedern („Songs From The Labyrinth“) oder Roger Waters’ Aufnahme von Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“. Auch Beth Gibbons, Sängerin der gefeierten Trip-Hop-Band Portishead, reiht sich nun in diese illustre Riege ein – mit einer Live-CD/DVD von Henryk Góreckis Sinfonie Nr. 3 („Sinfonie der Klagelieder“), einem der populärsten klassischen Werke des 20. Jahrhunderts. Begleitet wird sie vom Nationalen Sinfonieorchester des Polnischen Rundfunks unter der Leitung von Polens Komponistenmonument Krzysztof Penderecki (85). Doch wie kam es überhaupt zu dieser ungewöhnlichen Konstellation?

Hierfür müssen wir etwas weiter ausholen und näher auf die 3. Sinfonie und ihren Schöpfer eingehen. Henryk Górecki (1933-2010) zählte bis in die Sechzigerjahre zur Speerspitze der polnischen Avantgarde und bezog sich mit seinem seriellen Stil (einer Weiterentwicklung von Arnold Schönbergs Zwölftonmusik) auf Komponisten wie Anton Webern, Karlheinz Stockhausen oder Penderecki. Ab Mitte der Siebziger – beginnend mit der 2. Sinfonie – wendete sich Górecki einem minimalistischeren Stil zu, den er 1976 in seiner Sinfonie Nr. 3 perfektionierte, die als Hommage an die Opfer des Holocaust gilt. Ein Jahr später wurde die Auftragskomposition des Südwestfunks Baden-Baden im französischen Royan uraufgeführt. Dabei soll ein erzürnter Pierre Boulez ausgerufen haben: „Merde!“ In den Achtzigerjahren erschienen dann die ersten drei Einspielungen (alle mit der Sopranistin Stefania Woytowicz), doch erst die Aufnahme durch die US-Opernsängerin Dawn Upshaw von 1992 verhalf der Sinfonie zum Durchbruch und fand mehr als eine Million Käufer, ein beispielloser Erfolg. Der britische Radiosender Classic FM strahlte die Einspielung regelmäßig aus, woraufhin das Label Nonesuch je ein Exemplar an Mick Jagger, Enya und den Erzbischof von Canterbury schickte, um das Werk quasi offiziell absegnen zu lassen. Góreckis kontemplativer Stil, der bald darauf als „Heiliger Minimalismus“ bezeichnet wurde, traf offensichtlich den Zeitgeist.

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