BETH HART - Mit radikaler Selbstentblößung gegen innere Dämonen

12. November 2019

Beth Hart

BETH HART - Mit radikaler Selbstentblößung gegen innere Dämonen

Spätestens seit ihrer Kooperation mit Joe Bonamassa auf dem gefeierten Album „Don’t Explain“ von 2011 gilt Beth Hart als Hohepriesterin des Bluesrock. In ihrem neuen Werk „War In My Mind“ kämpft die Kalifornierin gegen die dunklen Schatten ihrer Vergangenheit an.

Beth Hart ist eine emotionale Urgewalt, ein nie erlöschender Vulkan – sie heult, stöhnt und schreit, als ginge es bei jedem Lied um ihr nacktes Dasein, das aus nichts als grässlichem Schmerz, ungezügelter Lust und wehmütiger Sehnsucht zu bestehen scheint. Die wilde, unter Dauerstrom glühende Musikerin verfügt über ein unwiderstehliches, mächtiges Sangesorgan in der Tradition einer Bessie Smith oder Janis Joplin. Ihr bisher 47 Jahre währendes Leben wurde geprägt von der frühen Scheidung der Eltern, sexuellem Missbrauch im jugendlichen Alter, heftigen Drogen- und Alkoholeskapaden. In den zwölf Songs ihres neunten Soloalbums widmet sie sich schonungslos der Verarbeitung ihrer Vergangenheit – und zieht den schutzlosen Hörer völlig unvermittelt in ihren Bann. Auch im Gespräch nimmt Beth Hart auf nichts und niemanden Rücksicht, am wenigsten auf sich selbst.

eclipsed: Du singst auf deiner neuen Platte „I make love to the war in my mind“. Warum herrscht in deinem Kopf Krieg?

Beth Hart: Interessanterweise stammt der Satz gar nicht von mir, sondern wurde beim Begräbnis einer engen Verwandten von einer Nonne ausgesprochen. Ich habe ihn all die Jahre im Kopf behalten, weil er mich zutiefst beeindruckt und zum Nachdenken gebracht hat. „Warum nimmt eine Betschwester solche Worte in den Mund“, habe ich mich gefragt. „Eine Person, die spirituell eigentlich mit sich im Reinen sein sollte, weil sie davon felsenfest überzeugt sein müsste, nach dem Tod von Jesus Christus erlöst zu werden?“ Ich selbst bin gläubige Christin. Aber auch ich habe immer wieder – daher verstehe ich den Satz dieser Nonne sehr gut – Tage und vor allem Nächte, in denen ich am Sinn des gesamten Daseins zweifle. Insofern war es nur folgerichtig, das neue Album mit „War In My Mind“ zu betiteln. Es geht dabei um existenziellen Grenzgang.

eclipsed: „Krieg im Kopf“, hat das auch mit Dämonen zu tun, die sich immer wieder bei dir einnisten?

Hart: Unbedingt! Ich habe seit meiner Kindheit mit Dämonen unterschiedlichster Art zu kämpfen. Manche von ihnen erkenne ich nicht sofort, manche schauen immer wieder vorbei, sind mir beinahe vertraut, obwohl sie mir nicht guttun. Ich versuche all diesen Gestalten entgegenzulächeln. Das ist die einzige wirksame Methode, sie zu vertreiben. Und natürlich gibt es in meinem Fall noch die Musik: Ich setzte mich ans Piano, klemme mich hinters Mikrofon, und dann brülle und grolle ich völlig rückhaltlos gegen diese Mistkerle an, bearbeite hemmungslos die Tasten meines Instruments. Purer Exorzismus!

eclipsed: Muss man wieder und wieder durch Schmerz und Leid waten, um eine beseelte Blues-Platte aufzunehmen?

Hart: Tatsächlich gab es, als ich an diesem Album geschrieben habe, Phasen, in denen negative Aspekte meiner Vergangenheit wie ein Ozean über mich hereinbrachen. Zum Glück bin ich inzwischen ein relativ mutiger Mensch. Also lief ich mitten durch dieses Grauen. Ich bin stolz auf mich und das akustische Resultat, das durch diese Katharsis entstanden ist.

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