Wir erleben den wärmsten Tag des Jahres in England – mit Hitzetoten in der Londoner U-Bahn. David Gilmours Hausboot MS Astoria gleicht einem Backofen. Nur die Kabine am Bug hat eine Klimaanlage, weshalb sie für den Besitzer reserviert ist. Der empfängt barfuß in einem schweren Ledersessel, schlürft schwarzen Kaffee und hat etwas Surreales: Sein Kopf wirkt geradezu riesig, der bullige Körper steckt in schwarzen Klamotten, die in scharfem Kontrast zu seinem schneeweißen Haarkranz stehen. Wenn der berühmte Gitarrist und Sänger spricht, hat man das Gefühl, einem Philosophiedozenten aus Oxford zu lauschen. David Gilmour ist eine Respekt einflößende und Respekt heischende Erscheinung.
eclipsed: David, du hast im Vorfeld klarstellen lassen, dass Fragen zu Pink Floyd unerwünscht sind. Warum ist dir das so wichtig?
David Gilmour: Weil ich genug davon habe, es macht mich krank! Schließlich wurde mir schon jede erdenkliche Frage zu dieser Band gestellt, und das nicht nur einmal. Das gibt mir das Gefühl, ein Hamster im Rad zu sein. Es ist immer dasselbe und auf Dauer schrecklich langweilig. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht in der Vergangenheit leben möchte, sondern im Hier und Jetzt. Deshalb ziehe ich es vor, über mein neues Album und über meine kommende Tour zu reden, aber nicht schon wieder über meine Beziehung zu Roger [Waters; Anm.] oder die Musik, die wir 1975 gemacht haben. Das ist alter Scheiß, der mich nicht mehr interessiert.
eclipsed: Das klingt ziemlich verbittert.
Gilmour: Nein, Pink Floyd waren toll, eine großartige Band. Aber es ist vorbei, und das Leben geht weiter. Das verstehen einige Leute nicht, oder sie ignorieren es bewusst. Deshalb muss ich dich bitten, Respekt vor meinen Ansichten und Wünschen zu haben.
eclipsed: Zudem bestehst du darauf, David statt Dave genannt zu werden.
Gilmour: Das ist dasselbe: Es geht mir um Respekt. Ich bin ein neunundsechzigjähriger Mann, der eine lange und extrem erfolgreiche Karriere hatte, und ich möchte entsprechend behandelt werden. Es ist okay, wenn mich meine engsten Freunde oder meine Frau Dave nennen. Aber das gilt nicht für Journalisten, die mich kaum kennen.
eclipsed: Okay, David. Dein neues Album steht unter dem Motto „Carpe diem“ und beginnt mit dem Stück „5 A.M.“, fünf Uhr morgens. Ist das deine bevorzugte Zeit zum Aufstehen, in der Morgendämmerung?
Gilmour: Das kommt öfter vor. Ich wache auf, wenn die ersten Vögel singen oder die Dämmerung einsetzt. Es ist toll, sich dann mit einer Tasse Tee hinzusetzen, das durchs Fenster zu beobachten und den Anbruch eines neuen Tages zu spüren. Das gibt einem das Gefühl, intensiver zu leben und wirklich jeden Moment auszureizen.
eclipsed: Hast du mit neunundsechzig Angst, dass dir die Zeit davonlaufen könnte?
Gilmour: Ich denke, dass man ganz allgemein so viel wie möglich aus seinem Leben machen sollte, egal wie jung oder alt man ist. Schließlich währt nichts ewig. Und das ist das Thema dieses Albums, das meine Frau Polly in den Texten ganz wunderbar umgesetzt hat.