Georg Hahn ist Hamburger und Auftragsmusiker. Nun hat er sich mit Finally George einen Traum erfüllt. „Life Is A Killer“, das Debüt von Finally George ist ein lupenreines Artrock-Album. eclipsed traf den 52-jährigen am Rande des Reeperbahn-Festivals im Zwick, dem kultigen Musik-Restaurant mit all seinen Rockmusik-Memorabilia. So fand das Interview (Hahn: „Dies ist mein erstes Interview überhaupt. Ich bin schon ein bisschen nervös.“) direkt neben einer Originalbassgitarre von Sting statt – passend zu Hahn, der „eigentlich Bassist“ ist.
eclipsed: Du bist ein Mann im besten Alter und schon lange im Musikgeschäft. Jetzt kommt dein erstes Album raus. Bitte schildere deinen musikalischen Werdegang.
Georg Hahn: Ich komme aus einem sehr musikalischen Elternhaus. Meine Eltern sind beide studierte Schulmusiker. Ich habe mit sechs angefangen Geige zu spielen und war sehr ambitioniert. Ich habe auch bei „Jugend musiziert“-Wettbewerben teilgenommen. Schon früh habe ich durch meinen Bruder und meinen Vater angefangen auch Pop- und Rockmusik zu hören. Als Sechsjähriger habe ich die Paul-Simon-Platten von meinem Vater angehört. Oder auch Randy Newman, Blood Sweat And Tears und Stevie Wonder. Später habe ich Geige in einer Schülerband gespielt. Da hat mich genervt, dass die Geige im Vergleich zu den anderen Instrumenten so leise war. Wir hatten einen Bassisten, der aber nicht sonderlich gut war und da habe ich den Bass übernommen. Nach der Schule habe ich als Praktikant in einem Tonstudio angefangen. Das war „learning by doing“. Synchronisation, Werbung, Filmmischung. Das waren die Alsterstudios, ein großes Studio in Hamburg. Dort habe ich weitere Leute kennengelernt und mit der Band Cakewalk gab es viele Konzerte in den Clubs hier in Hamburg. Irgendwann habe ich mir ein Keyboard gekauft und angefangen, synthetische Musik zu spielen. Die Geige hatte ich da schon an den Nagel gehängt und nur noch Popmusik gemacht. Ich bin dann zum Hamburger Lokstudio gewechselt. Die haben erst nur Popmusik aufgenommen. Später haben sie auch Werbung gemacht. Dadurch bin ich dann in die Werbemusik reingerutscht. Später habe ich mich mit einem Kollegen selbständig gemacht. Wir hatten eine Firma, mit der wir Werbung vertont haben. Ich kann auch Geräusche machen, bin also auch Geräuschemacher. Sounddesign, Vertonung – das ist total mein Ding. Durch die Arbeit habe ich Erlend Krauser, den Gitarristen von Lake und dem James Last Orchester, kennengelernt. Für einen riesigen Auftrag von Bacardi habe ich Erlend dazugeholt. Mit Erlend habe ich dann eine neue Firma gegründet. Ein paar Jahre lang haben wir intensiv Werbemusik gemacht. Durch diese Auftragsmusik habe ich sehr viel gelernt. Die Kunden haben immer gesagt: „Wir wollen etwas haben wie das und das.“ Aber wegen der Urheberrechte konnten wir es natürlich nur so ähnlich machen. Dabei lernt man genau hinzuhören. Das ist wie bei Steven Wilson, wenn er die Remixe macht. Er kann die einzelnen Spuren hören. Das ist natürlich toll, wenn Du feststellen kannst, wie etwa Tears For Fears „The Seeds Of Love“ oder „Shout“ aufgenommen haben. So ähnlich ist das bei der Werbemusik auch. Wenn ich mir einen anderen Titel anhören muss, analysiere ich auch, was da drin ist. Dabei lernt man, wie Musik gemacht wird. Das Problem bei Werbemusik ist, dass dir da ständig jemand reinquatscht. Es ist auch kreative und gut bezahlte Arbeit, aber es ist keine Arbeit, die mich wirklich glücklich gemacht hat. Die Finally-George-Platte ist für mich auch so etwas wie ein Befreiungsschlag. Ich habe mir gesagt: „Ich mache jetzt das, was ich will.“ Ich wollte etwas machen, wo mir niemand reinredet und was meins ist. Und es hat so einen Spaß gemacht.
eclipsed: Auf welchen anderen Veröffentlichungen bist du zu hören?
Hahn: Es gibt die Platte „Poptown“ von Cakewalk von 1989. Ein Lied hat unser Saxofonist geschrieben, die restlichen ich. Das war schon ziemlich bombastisch. Ich wollte schon immer in diese Genesis-Ecke rein. Das kann man schon bei Cakewalk ein bisschen hören. Es war aber schlecht gemacht. Die Platte ist nichts zum Zeigen. Ich bin nicht besonders stolz auf die Platte.
eclipsed: Auf „Life Is A Killer“ hast du prominente Unterstützung: Todd Sucherman von Styx spielt das Schlagzeug, Erlend Krauser von Lake spielt Gitarre und der Grammy-Gewinner Tim Young hat das Mastering übernommen. Wie ist der Kontakt zu dieser Prominenz zustande gekommen?
Hahn: Alle Gitarristen, die auf der Platte mitspielen, sind Freunde von mir. Der John Engehausen, der das Solo in „Ghost“ spielt, ist der Gitarrenlehrer von meinem Sohn gewesen. Ich spiele zwar auch Gitarre und auch ein paar Soli, aber ich bin kein Virtuose. Ralf Bittermann kenne ich von ganz früher. Er ist hier in der Lokalszene bekannt gewesen. Ich habe früher auch ein bisschen Schlager gemacht, als Produzent und Künstler. Damals hat er schon für mich gespielt. Und Erlend ist einer meiner besten Freunde und der Patenonkel von meinem Sohn. Der musste einfach darauf spielen. Für mich ist er der beste Gitarrist Deutschlands. Er ist ein absolute Ausnahmetalent.
eclipsed: Zum Album: Brodelten die Songs schon jahrelang in dir und ist das alles neu entstanden?
Hahn: Der erste Titel, das war „Ghost“, ist Mitte 2015 entstanden. Davor hatte ich ein Schlagerprojekt, bei dem ich eine Künstlerin produziert habe. Das ist aber zum Glück in die Hose gegangen. Aus dem Frust heraus habe ich dann gesagt: „Ihr könnt mich alle mal. Auf das ganze Gesabbel von irgendwelchen Managern und Plattenfirmen und Verlagen habe ich keinen Bock mehr.“ Ich saß dann bei mir im Keller im Studio und habe einfach angefangen, meine Musik zu machen. Ich wollte mich einfach nicht mehr an irgendwelche vorgegebenen Schemen halten. Als die „Welcome To My DNA“ von Blackfield rauskam, gab ich sie Erlend zum Hören und sagte: „Das finde ich ganz toll. Das ist meine Musik. Auf so etwas hätte ich Bock.“ Erlend fragte mich dann: „Warum tust du das denn nicht?“ Im stillen Kämmerchen habe ich mir dann auch die Frage gestellt: „Warum mache ich denn nicht die Musik, die ich machen will?“ und habe einfach angefangen. Ich hatte gar nicht vor, das zu veröffentlichen. Dann kam ein Titel nach dem anderen hinzu. Das Komponieren hat eineinhalb bis zwei Jahre gedauert. Ursprünglich hatte ich vor, nur 50 Exemplare zu pressen und wollte sie zu Weihnachten an Freunde verteilen. Eigentlich wollte ich auch gar keine Drums. Aber die Songs wurden immer besser und ich dachte, dass ich doch auch Drums brauchte. Weil ich hier in Hamburg keinen kenne, der das kann, habe ich mich im Internet nach Sessiondrummern umgesehen. Ich habe dann einen in L.A. gefunden. Das war Matt Laug. Der hat schon für Alice Cooper und Alanis Morissette getrommelt. Der hat mir gesagt, dass meine Demos die besten wären, die er bekommen hat, seit er online seine Dienste anbietet. Aber er wäre nicht der richtige dafür, aber er kenne einen ganz tollen Trommler, der das machen könnte und er hätte dem auch schon meine Demos geschickt. Und das war Todd Sucherman. Ich kannte Todd vorher gar nicht. Ich kannte natürlich Styx. Aber die Band hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Todd war begeistert und ich fühlte mich gebauchpinselt. Todd hat das richtig toll gemacht und tolle Ideen dazu beigetragen. Er war richtig enthusiastisch. Todd hat eine große Trommler-Fangemeinde und die Sachen, die er für mich gemacht hat, hat er online genau beschrieben und auch Ausschnitte online gestellt. Der eine Clip hatte 35.000 Viewer. Da haben mich dann viele Leute aus Übersee angeschrieben: „Wann ist denn deine Platte endlich fertig?“ Das war total abgefahren. Das wurde alles immer professioneller. Dann habe ich mir den Frank Reinke hinzugeholt, der das Album gemischt hat. Der ist hier in Hamburg bekannt in der Branche. Am Ende fehlte noch das Mastering. Als Steven Wilson-Fan war ich in London zum Wilson-Konzert in der Royal Albert Hall. Da ich sowieso schon in London war, wollte ich dann auch in London mastern lassen. Ich meine, in dem ganzen Album steckte schon tierisch viel Arbeit drin und ich wollte dann auch alles richtig machen. Dann habe ich dort bei den Metropolitan Studios angerufen. Dort hatte Steven Wilson auch mastern lassen. Die haben eine tolle Website und dort verschiedene Tonmaster vorgestellt. Ich habe mich dann für Tim Young entschieden. Ich war einen Tag bei ihm und habe ihn mastern lassen. Das ist aber nicht so romantisch, wie man sich das vorstellt. Das ist eine Fabrik. Ich habe nichts gesagt und ihn einfach machen lassen. Er hat einen super Job gemacht. Die Mischung war schon toll. Aber durch das Mastering hat das Album noch mal richtig gewonnen.
eclipsed: Dein Album ist im weitesten Sinne ja Progmusik oder Artrock. Wie hast du den Prog kennengelernt? Was ist das Attraktive an dieser Musikrichtung?
Hahn: Musikalisch bin ich sehr breit aufgestellt. Ich bin auch totaler Klassikfan. Das kommt natürlich durch meine Geigenausbildung. Ich bin totaler Wagnerianer. Meine Mutter und mein Vater lieben Wagner. Mein Bruder ist mein größter Beeinflusser gewesen. Er hat immer Bands gehört wie Yes, Camel, Brand X, King Crimson, Jethro Tull, rauf und runter. Das habe ich aufgesogen. Was mich am meisten beeindruckt hat, waren Genesis. Für mich ist Genesis fast schon Klassikmusik. Die „Seconds Out“ hat mich weggeblasen. Wenn ich zehn Alben mit auf eine Insel nehme, dann ist das die Nummer 1. Die kenne ich in- und auswendig. Aber ich hatte immer offene Ohren. Ich habe auch James Taylor, Randy Newman, Paul Simon und ganz viel Supertramp gehört. Cool And The Gang oder ABBA. Steven Wilson hat auch einen Einfluss darauf, dass ich die Platte gemacht habe. Ich habe viel den Online-Sender Radio Paradise gehört. Ein geiler Sender mit Musik von allen Genres ohne Werbung. Die finanzieren sich durch Spenden. Dort liefen immer „Train“ und „Sentimental“ von Porcupine Tree. Ich fand diese Songs so toll und kannte Porcupine Tree gar nicht. Das war 2013. Danach habe ich die Musik von Wilson inhaliert. Wilson hat mich wieder dazu gebracht, bei Musik richtig zuzuhören. Bei Wagner habe ich immer richtig zugehört. Aber bei Popmusik nicht. Bei Wilson habe ich dann die Platten aufgelegt und wieder richtig gehört. Das hat so einen Spaß gemacht. Das sind so viele richtig geile Platten. Schön war auch, dass mein Bruder Wilson nicht kannte und so konnte ich mal umgedreht meinen Bruder damit infizieren. Das hatte auf jeden Fall auch Einfluss auf meine Platte. Von Wilson habe ich auch die Abwechslung gelernt. Er hält sich auch an keine vorgegebenen Vorgaben. Da kommen immer wieder neue Teile. Es wirkt aber nicht künstlich. Es ist alles stimmig. Früher habe ich mit nicht um einen 7/4-Takt gekümmert, weil das nicht kommerziell war. Jetzt war das für mich auch kompositorisch Neuland.
eclipsed: Auf dem Infoblatt steht zu deinem Album, dass es Lieder voller Trennungsschmerz sind. Hat das Album einen roten Faden?
Hahn: Vor langer Zeit als ich noch Schlager gemacht habe, habe ich deutsche Texte geschrieben. Das war kommerzielle Musik. Ich habe mir gedacht „was die können, kann ich auch.“ Auch bei Cakewalk hat unser Sänger getextet oder ein amerikanischer Freund. Jetzt sind alle Texte von mir. Ich habe noch nie vorher englische Texte geschrieben. Das war für mich auch absolut neu. Die Texte sind auch relativ simpel. Ich habe sie aber auch Todd gegeben. Er hat an zwei Texten etwas korrigiert. Ich hatte in meiner früheren Jugend, bevor ich meine Frau kennengelernt haben, einige Beziehungen gehabt, die durchaus schmerzhaft zu Ende gegangen sind. „Remember Me“ und „She“ sind Erinnerungen an meine Jugend. „Way Home“ ist eine fiktive Geschichte. Es ist aber jetzt keine Platte, um der Welt eine Botschaft mitzugeben.
eclipsed: Du spielst Keyboards, Bass, Gitarre und du singst. Du hast das Album produziert. Ist das genau dein Ding: im Studio rumzutüfteln?
Hahn: Ja, total. Zur Gitarre bin ich eigentlich erst vor sieben Jahren gekommen, weil ich vorher immer Bass gespielt habe. Da hat mir auch die Technik geholfen. Wenn du gut auf der Gitarre klingen wolltest, musstest du auch gut spielen können. Klar, du brauchtest auch das Equipment. Aber heute durch die digitale Technik hat sich für mich eine völlig neue Welt geöffnet. Allein vom Sound her war das eine andere Welt. Bei der Schlagerproduktion habe ich auch alle Gitarren gespielt und dadurch bin ich besser geworden. Das hat totalen Spaß gemacht, wenn ich nachts allein im Studio gesessen habe. Also ja, die Studiotüftelei ist mein Ding. Ich nenne das immer „elektrische Eisenbahn“. Das ist wie früher als Kind, wenn man die elektrische Eisenbahn aufgebaut hat und alles miteinander funktioniert. Solche Glücksgefühle hatte ich dann wieder, wenn ich mir die fertigen Lieder angehört habe.
eclipsed: Das Album ist jetzt frisch draußen. Hast du schon irgendwelche Pläne oder Ideen für die Zukunft?
Hahn: Ich möchte natürlich weitermachen. Das ist aber auch eine Kostenfrage. Diese Platte ist trotz Drumming und Mastering noch relativ kostengünstig entstanden, weil ich ja zuhause aufnehmen konnte. Mit dem CD-Verkauf verdient man natürlich kein Geld. Es ist eine Herzensangelegenheit. Ich arbeite jetzt auch schon an neuen Songs. Ich habe keine Plattenfirma, die mir einen Vorschuss gibt. Aber ich habe totalen Bock darauf. Ich bin da jetzt infiziert.
eclipsed: Könntest du dir vorstellen, auch mal live zu spielen?
Hahn: Ich weiß es nicht. Im Moment würde ich sagen nein. Aber man weiß ja nie. Auf der Bühne würde ich zum Beispiel nicht Gitarre spielen wollen. Vielleicht die Rhythmusgitarre. Aber keine Soli. Da wäre ich mir viel zu unsicher. Im Moment liegt das Hauptaugenmerk jedenfalls nicht darauf.
*** Interview: Bernd Sievers