Vielleicht ist es das essenziellste Werk in der Diskographie von Gentle Giant. Denn „Playing The Fool“, ihr erstes Live-Album, markiert das Ende einer Ära. Sieben Jahre hatte die Band aufs Virtuoseste musiziert, hatte komplexeste Arrangements mit dynamischer Rockmusik vereint. Der Konzert-Mitschnitt von 1977 brachte nun all das auf den Punkt, bevor sich das Quintett Poppigerem zuwandte.
Anfang Mai erschien „Playing The Fool“ erneut. Als „The Complete Live Experience” betitelt, gibt es hier erstmals ein ganzes Konzert aus den Siebzigern zu hören, neu abgemischt in Stereo und Raumklang. Ein mitreißendes Dokument einer Band auf dem Zenit ihres Könnens. Kein Wunder, dass auch Derek Shulman stolz ist. Der Sänger wurde im Lauf der Jahre zum Nachlassverwalter von Gentle Giant und kümmert sich um das Erbe seiner ehemaligen Band. Für Bescheidenheit bleibt da nicht viel Zeit.
eclipsed: Hallo Derek, wie ist es für dich, „Playing The Fool“ fast fünfzig Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung zu hören?
Derek Shulman: Sehr aufschlussreich! Ich habe das Album seit Jahren nicht mehr aufgelegt, jetzt kann ich es objektiv genießen. Und ganz ehrlich: Ich denke, wir waren ziemlich gut, vor allem live. Wir waren eine fantastisch eingespielte Band. Dank der neuen Version entdecke ich Gentle Giant gerade wieder, ganz frisch und unvoreingenommen. Damals war mein Blick natürlich viel subjektiver.
eclipsed: „Playing The Fool“ erschien 1977. Nicht mal ein Jahr zuvor hattet ihr euer Album „Interview“ veröffentlicht und wart ständig auf Tour. Ganz schön stressig, oder?
Shulman: Absolut! Gerade während der Aufnahmen zu „Interview“ war ich völlig ausgelaugt. Wir brauchten dringend etwas Zeit, um durchzuatmen. Wir haben quasi ständig gearbeitet, denn wenn wir nicht im Studio waren oder auf der Bühne, haben wir geprobt. Als wir dann das Live-Album herausbrachten, konnten wir uns zumindest ein bisschen erholen. Aber eben auch nur für ein Wochenende. War es gut oder schlecht, dass wir so hart gearbeitet haben? Damals hat es uns bestimmt nicht geschadet. Rückblickend muss ich aber sagen, dass wir besser zwei Gänge hätten runterschalten sollen.
eclipsed: Ich habe gelesen, dass Peter Frampton indirekt etwas damit zu tun hatte, dass ihr das Live-Album veröffentlicht habt. Stimmt das?
Shulman: Ja, wir haben damals ein paar Konzerte mit ihm gespielt. Er war schon ziemlich bekannt, genau wie wir. Dann erschien „Frampton Comes Alive!“ und wurde zu einem riesigen Hit. Plötzlich war Peter ein Star, der ein ganz neues Publikum erreichte. Klar haben wir da gedacht: „Das können wir auch!“ Aber es war nicht nur Peter Frampton – viele Bands haben zu der Zeit Live-Alben veröffentlicht. Alles Bands, die ihre Instrumente beherrschten, die singen konnten. Denn Auto-Tune und Playbacks gab es damals noch nicht. Man konnte bei Konzerten nicht auf Technik zurückgreifen, sondern musste spielen können.