Seit Heinz Rudolf Kunze (HRK) zu Beginn der 80er Jahre die Szene betrat, war er eine Reizfigur, wurde damals von der „Hamburger Morgenpost“ etwa – wegen seines biederen Äußeren und seiner disziplinierten Hyperaktivität – als „Preuße des Pop“ gehänselt. So kann man diesen Künstler natürlich sehen. Auch. Nur darf man darüber nicht vergessen, dass der Musiker seit über vier Jahrzehnten einer der intellektuellsten, wortgewandtesten und radikalsten deutschsprachigen Songwriter ist. HRK ist begeisterter Textakrobat und exponiert sich bewusst als Stein jedes Anstoßes. Bereits Ende der 90er Jahre erteilte der „Musikexpress“ dem heute 66-Jährigen Ritterschlag und Absolution gleichermaßen: „Er schafft in jedem Lied einen Bezug zu Randy Newman, Jimmy Page, den Byrds, Beatles oder anderen Vorbildern.“ Soeben ist das sage und schreibe 39. Studioalbum des „Sprachkunst-Rockers“ (O-Ton „Die Welt“) erschienen. „Können vor Lachen“ ist ein Meisterstück!
eclipsed: Wie zornig und ratlos muss man sein, um solch eindeutig-anklagende Verse zu schmieden?
Heinz Rudolf Kunze: Die 14 Kompositionen auf dem Album decken die komplette Bandbreite der menschlichen Emotions-Palette ab, von aggressiv bis tieftraurig, von ohnmächtig bis melancholisch. Plus: grässliche Pandemie, furchtbarer Ukraine-Krieg, monströser Klimawandel – mir reicht es langsam mit Katastrophen. Wen wundert es, dass ich die schärfsten Reime seit langem in die Welt setze? Ich halte diesen Wahnsinn kaum noch aus. Und auch unsere Politiker scheinen mir ziemlich hilflos und überfordert zu sein, was die Bewältigung dieser Mega-Probleme betrifft. Ich persönlich befinde mich im „Zeitalter des Galgenhumors“.
eclipsed: Du behauptest, deine neue Begleitband sei die beste aller Zeiten …
Kunze: Sie vitalisiert mich ungemein! Auch weil sie extrem viel Talent, Dynamik und Energie besitzt. Ich gebe die musikalische und textliche Richtung vor. Aber wenn jemand einen Verbesserungsvorschlag hat, gehen wir kollektiv darauf ein. Wir genießen jegliche Kreativ-Freiheiten. Unter mir als „sanftem Diktator“. (lacht)
eclipsed: Woher kommt deine Arbeitswut? Hast du keine Chance, die Ideenflut in deinem Hirn zu bekämpfen?
Kunze: Manchmal frage ich mich schon: „Was treiben diese Typen, die fünf Jahre für eine neue Scheibe benötigen?“ Wenn ich eine Produktion für gelungen halte, haue ich sie so schnell wie möglich raus. Ich habe nicht umsonst bislang 10.000 Texte verfasst. So rasend wurstle ich eben.
