JONATHAN WILSON - Mein Freund Roger

10. Oktober 2023

Jonathan Wilson

JONATHAN WILSON - Mein Freund Roger

Das Multitalent aus dem bergigen Hinterland von Los Angeles hat sämtliche Höhen wie Tiefen der Musikindustrie erlebt. Jetzt, mit 48, zieht er einen Schlussstrich: Ab sofort macht Wilson nur noch Klangkunst – egal, ob sie sich verkauft oder nicht. Sein Sold als Bandleader von Roger Waters, dem er nach wie vor die Stange hält, macht’s möglich.

Freitagmittag im Topanga Canyon von Los Angeles: Wilson hockt auf den Stufen zu seinem Fivestar Studio, schlürft einen Eistee, pafft E-Zigarette und trägt einen grauen Overall zu fettigen, langen Haaren. „Ich habe Mittagspause“, setzt er an. „Wir basteln seit ein paar Wochen am neuen Album von Father John Misty, und das ist – wegen der Komplexität der Musik – ein Kraftakt. Im Grunde habe ich die gesamte Pandemie durchgearbeitet – mit Dawes, Angel Olsen, Margo Price und Roger Waters. Insgesamt war ich an 14 Tonträgern in drei Jahren beteiligt. Ich brauche dringend eine Pause, Mann.“ Einer dieser Tonträger ist sein fünftes Soloalbum „Eat The Worm“, für das sich Wilson von Zappa, Captain Beefheart oder Jim Pembroke hat inspirieren lassen. Pembroke war Brite und in den 70ern Kopf einer finnischen Progressive-Rock-Band namens Wigwam, die ein paar durchgeknallt-innovative Alben veröffentlichte. „Ich saß eines Nachts im Studio und war ziemlich gelangweilt von dem, was ich den ganzen Tag über mich ergehen lassen musste. Da schickte mir ein Freund einen Link zu einem alten TV-Auftritt von Wigwam. Ich konnte kaum glauben, was ich da sah. Es war so merkwürdig und gut, dass ich sofort wusste: Das ist es, was ich will – ein Album, das selbst für meine Verhältnisse extrem ist und null kommerzielles Potential besitzt. Etwas, das ich allein für mich mache – um mal wieder Spaß zu haben.“

Anything Goes

Das Ergebnis: zwölf Songs, die in keine Schublade passen, sondern rasante Stil- und Tempowechsel, experimentelle Arrangements und wirre Fantasie-Texte aufweisen. Da geht es um LSD-Trips mit Daniel Lanois, seine (temporäre) Mutation zu Joe Bonamassa, seine Vorliebe für Marzipan sowie charmante Seitenhiebe auf Hollywood-Hipster, die Musikindustrie und Kollege John Mayer. Den nennt er „eine Lusche, die das Ansehen der Grateful Dead ruiniert“. Genauer erklären will er das aber nicht. Ihm gehe es, so Wilson, nur darum, seine Meinung kundzutun und einen mutigen Gegenpol zum musikalischen Einheitsbrei der Gegenwart zu liefern. „Aus dem simplen Grund, weil ich es mir leisten kann.“

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