„Ich vermisse meine frühere Band, wirklich!“, erklärt uns ein trauriger Daniel Cavanagh gleich am Anfang des Interviews, und er wird diesen Satz noch unzählige Male in verschiedenen Variationen wiederholen. „Anathema war für mich meine Familie, und das nicht nur, weil mein Bruder Vincent und zeitweise auch mein anderer Bruder Jamie da gespielt haben, sondern weil wir alle eine Familie waren. Auch John und Lee Douglas sind ja Geschwister.“ Als die Band sich nach der Tour zum 2017er Album „The Optimist“ getrennt hatte, war Daniel untröstlich, verfiel sogar in Depressionen, weil er sein Lebensprojekt gefährdet sah.
Bruderliebe
Aber es war sein eigener Bruder Vincent, der nicht weitermachen wollte. „Vince hatte einfach genug von dem Stress und dem Druck, er sah seine geistige Verfassung gefährdet und zog die Notbremse.“ Und so trennte sich die Band leise und auf unbestimmte Zeit. Dabei hatten sich Anathema nach Jahren der künstlerischen Suche und kommerziellen Dürre seit Anfang der 2010er Jahre einen Status erarbeitet, um welchen andere Bands sie sicherlich beneiden würden: Aus der Doom-Metal-Band der Anfangsjahre war eine hochmelodische, melancholiegetränkte New-Artrock-Institution geworden. Und auch wenn das letzte Album „The Optimist“ gegenüber den drei überragenden Vorgängern etwas abfiel, kam das Ende überraschend. „Wir hatten auch bereits Ideen für den Nachfolger komponiert und ausprobiert, und ich war mir sicher, wir wären auf dem rechten Weg“, erzählt Cavanagh heute.
Und genau diese Aufnahmen sind es, die das Debüt seiner neuen Band Weather Systems ausmachen, bei der neben ihm von der alten Band noch Schlagzeuger Daniel Cardoso mitmischt. „Ich würde sagen, es handelt sich bei Weather Systems um mindestens 80 % Anathema“, so Cavanagh. „Es ist auch kein Zufall, dass ich die Band nach unserem wahrscheinlich besten Album benannt habe. Natürlich fehlt mir mein Bruder an allen Ecken, und auch [Sängerin; Anm.] Lee Douglas konnte nicht zum Mitmachen bewegt werden. Aber ich bin auch ein passabler Sänger, und bei Anathema haben wir drei – Vince, Lee und ich – die Vocals ja auch untereinander aufgeteilt.“ Um dies aufzufangen, lud Cavanagh für sein neues Projekt gleich mehrere Sänger ins Studio, die ihn unterstützten.