THE WHO erleben mit Mitte 70 gerade ihren dritten Frühling. Denn ihr aktuelles Album "Who" ist eine überzeugende, elf Tracks umfassende Sammlung geworden. Vor dem Attribut „Spätwerk“ sträubt man sich schon deshalb, weil die Protagonisten Roger Daltrey und Pete Townshend auf der Platte eher nach Mittzwanzigern als nach Mittsiebzigern klingen.
Wir treffen Daltrey (75) und Townshend (74) – natürlich nacheinander, denn so weit, sich zusammen einem Interview zu stellen, geht die Liebe dann doch nicht – in einem altmodischen Hotel in der Londoner Innenstadt. Sänger wie Gitarrist von The Who sind bester Stimmung. Die Freude darüber, mit „Who“ 13 Jahre nach „Endless Wire“ wieder ein neues Album zu veröffentlichen, ist groß.
eclipsed: Roger, dein Kollege Pete Townshend sagt, er habe dir die neuen Songs quasi auf den Leib geschrieben. Siehst du das auch so?
Roger Daltrey: Am Anfang habe ich das überhaupt nicht so gesehen. Im Sommer 2018 schickte Pete mir überraschend zwölf Songs und meinte: „Ich will ein neues The-Who-Album machen.“ Ich mochte die Demos, aber für mich klang das alles sehr nach einem Pete-Soloalbum. Ich fühlte mich von diesen Liedern angesprochen, aber empfand mich nicht als ein Teil von ihnen. Ich spürte das alles nicht. Ich kam mir vor wie ein gemieteter Sänger auf einem Who-Album. Das habe ich ihm dann auch gesagt.
eclipsed: Woran merkst du, ob ein Song für dich passt?
Daltrey: Ich muss in ihn hineinschlüpfen, er muss in mir leben. Ich kann einen Song nur mit dem Herzen singen, nicht mit dem Kopf. Und so fing ich an, diese neuen Kompositionen erst mal gesanglich mit ganz groben Pinselstrichen zu malen, indem ich Melodien und Phrasierungen in die Luft warf, mich dazu bewegten, einfach schaute, wie diese Musik auf mich und meine Stimme wirkte. Schließlich stand für mich fest, dass ich auf der richtigen Spur bin. Und hier sind wir nun. Ich bin extrem stolz auf dieses Album. Für mich ist es das beste seit „The Who By Numbers“ von 1975.
eclipsed: Pete, warum wolltet ihr überhaupt ein neues Album machen?
Pete Townshend: Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel live gespielt. Irgendwann entschied ich aber, nur noch zu touren, sofern wir auch neue Musik haben. Ich wollte mich weiter wie ein aktiver Komponist fühlen. Ich bin durchaus glücklich damit, mir selbst einzureden, als junger Mensch großartige Musik geschrieben zu haben. Und ich fürchte mich nicht vor Nostalgie. Aber auch wegen des Internets, wo man echt alles hören kann, was man will, habe ich dieses Jucken gekriegt, dieses Gefühl: Verdammt, da draußen ist so viel geile Musik, ich will ein Teil davon sein!