Vincent Damon Furnier stand stets stolz zu seiner Geburtsstadt: Schon als seine musikalischen Projekte noch nicht unter dem Namen Alice Cooper firmierten, sah er sie in der Tradition von Mitch Ryder & The Detroit Wheels oder MC5. Sein neues Album „Detroit Stories“, eingespielt mit so illustren Musikern wie Joe Bonamassa und MC5-Mitgründer Wayne Kramer, ist eine Hommage an den Sound der einstigen Motor City in den späten 1960er-Jahren: Es zelebriert den frühen amerikanischen Hardrock, vergisst aber auch nicht den Motown-Pop und -Soul.
Alice Cooper ruft fast exakt um Mitternacht an – ein passender Zeitpunkt für ein Gespräch mit dem „Fürsten der Finsternis“, als der er sich selbstironisch auf der Bühne inszeniert. In seinem Wohnort Paradise Valley nahe Phoenix in Arizona ist gerade sonniger Mittag. „Und schneit es bei dir in Dortmund?“, witzelt der fast 73-Jährige gleich zu Beginn des Gesprächs. „Tut mir leid, dass wir das Interview nicht von Angesicht zu Angesicht in einem good old hotel in Germany zu einer für dich angenehmeren Zeit führen können, aber ich bin wohl doch zu sehr Rock’n’Roller, um morgens zu Gesprächen aufgelegt zu sein.“ Doch die Zeitverschiebung hat durchaus auch ihr Gutes: Während Cooper nun hellwach ist, habe ich mir den Abend damit vertrieben, mehrmals sein neues Album anzuhören, dessen Aufgewecktheit und Frische ihrerseits jeden Anflug von Müdigkeit verscheucht haben.
eclipsed: Wie motiviert man sich eigentlich für sein 28. Studioalbum?
Alice Cooper: Indem man sich immer neuen Herausforderungen stellt und versucht, sich weiterzuentwickeln, oder sich mit Dingen beschäftigt, mit denen man sich noch nie beschäftigt hat oder zumindest lange Zeit nicht mehr.
eclipsed: Aber muss man als Alice Cooper nicht einem Image entsprechen, bzw. fällt einiges musikalisch nicht einfach heraus, wenn man Alice Cooper ist?
Cooper: Das Gute ist, dass ich zwar Anfang der 70er den Künstlernamen Alice Cooper angenommen habe, aber dennoch klar unterscheide zwischen mir als Privatperson und Alice Cooper als Kunstfigur. Zudem habe ich mit meinem Produzenten Bob Ezrin jemanden an meiner Seite, der zusammen mit mir seit über fünf Jahrzehnten diese öffentliche, musikalische Person Alice Cooper mitgestaltet. Da kommt es manchmal schon vor, dass wir uns etwas uneins sind, wer oder was Alice Cooper ist, was er machen könnte, sollte oder darf. Letztendlich treffen sich unsere Ideen aber immer auf einer gemeinsamen Linie, und wir korrigieren uns gegenseitig. Da ich persönlich in der Regel zum harten Rock neige, fällt es mir leichter, musikalisch in diese Richtung zu gehen, während er da manchmal eine etwas nuancierte Richtung bevorzugen würde. Andererseits gibt es auch diese leicht intellektuelle, ironische, sarkastische Sicht der Dinge in den Alice-Cooper-Texten, und wenn ich mit einem Text ankomme, der keinen doppelten Boden enthält, macht mich Bob sofort darauf aufmerksam, dass Alice das so nie sagen würde. Selbst in den Phasen, als ich meine Alben von anderen Leuten produzieren ließ, habe ich Bob oft während der Produktion angerufen und ihm die Songs vorgespielt, und er gab dann seine Ratschläge wie: „Macht da die Strophe kürzer, nehmt dort eine härtere Gitarre und macht es im Text noch etwas böser.“ So gesehen war jedes meiner Alben seit 1970 immer auch ein Gemeinschaftswerk von Bob und mir. Andererseits ist es so, dass ich Alice Cooper in der Regel über die Bühnen dieser Welt spazieren lasse und mich dadurch viel länger und öfter mit dieser Figur befasse. Da ist man schnell in einer Routine drin, und wenn es um neue Albumprojekte geht, ist es nicht immer einfach, den nächsten Schritt zu machen, während Bob durch seine Arbeit mit anderen Bands [in der Vergangenheit Detroit Featuring Mitch Ryder, Kiss, Lou Reed, Peter Gabriel, Pink Floyd, in den letzten Jahren Deep Purple, Anm.] mit mehr Abstand und dadurch oft auch klarerer Sicht an das Thema Alice Cooper herangeht. Er schlug das Thema Detroit vor und erntete von Anfang an Begeisterung dafür, selbstverständlich auch, weil es viel mit Alice Cooper, aber eben auch mit mir privat zu tun hat. Es ist nun einmal meine Stadt, in der ich geboren und musikalisch sozialisiert wurde.
eclipsed: Als du zwölf warst, sind deine Eltern allerdings mit dir von Detroit nach Phoenix gezogen, weil das dortige Klima für deine Gesundheit besser war. Dort hast du später mit Kumpels die ersten Bands gegründet, aus denen dann die Gruppe Alice Cooper hervorging.
Cooper: (lacht) Allerdings konnte ich immer damit angeben, dass ich aus Detroit komme. Im Ernst, die Musik aus Detroit war immer fest in meiner DNA verankert, und als wir uns nach der Episode in L. A. 1969/1970 mit Frank Zappa neu erfanden, siedelten wir uns als Band in Detroit an. Dort entstand unser erster Signature-Song „I’m Eighteen“, und erst dort wurde mit dem etwa gleichaltrigen Produzenten Bob Ezrin Alice Cooper erschaffen.