Am 26. September 1969 erschien mit „Abbey Road“ das letzte gemeinsam aufgenommene Album der Beatles. Ein erstaunliches Werk voller Überraschungen. Vor allem aber grenzte es an ein Wunder, dass die von Streit und finanziellen Unwägbarkeiten geschüttelte Gruppe überhaupt noch einmal zusammengefunden und gemeinsam eine Platte aufgenommen hatte. Eine Platte, die man getrost als Quintessenz im Schaffen der bahnbrechenden Formation ansehen kann. eclipsed begibt sich zum 50. Jahrestag der Veröffentlichung von „Abbey Road“ noch einmal auf Spurensuche.
„‚Let It Be‘ war ein Alptraum!“ Dieser Stoßseufzer von Ringo Starr wird von vielen Beteiligten – Musikern wie Produzenten – geteilt. Die Risse, die spätestens beim Indientrip 1968 zum Vorschein gekommen waren, als Paul und Ringo vorzeitig abgereist waren, und die sich auf dem zwar brillanten, aber heterogenen „Weißen Album“ auch künstlerisch offenbarten, sollten mit dem wahnwitzigen Projekt „Let It Be“ gekittet werden. Die Band wollte sich in den Twickenham Studios beim Konzipieren und Aufnehmen eines neuen Albums filmen lassen; das Ergebnis sollten eine Dokumentation und eben die neue Platte sein, die wieder back to the roots gehen sollte, sprich: weniger Studioexperimente, mehr Rock’n’Roll. So wie in ihren Anfangstagen im Cavern Club.
Um diesen simpleren, raueren Ansatz hinzukriegen, zogen die Beatles ihren genialischen Produzenten George Martin nicht zu den Sessions hinzu. Doch im Studio kam es zu nicht enden wollenden Streitereien, die nun zu allem Übel auch noch mitgeschnitten wurden. Außerdem kam die Gruppe mit der Musik nicht so voran, wie sie sich das vorgestellt hatte. So zogen die Beatles im Januar 1969 die Reißleine, verließen die unselige Filmkulisse, beendeten das Album schnell in den bandeigenen Apple-Studios in der Savile Row, krönten das Ganze mit dem legendären Konzert auf dem Dach des Studiohauses und waren erleichtert, einander nicht mehr sehen zu müssen. Das Ende der Beatles schien besiegelt; sogar das Album wurde zunächst nicht veröffentlicht.
Es folgten jedoch Probleme anderer Art. Nach dem Tod Brian Epsteins zwei Jahre zuvor suchten die Beatles immer noch nach einem hauptverantwortlichen Manager, zumal das anvisierte Apple-Imperium beständig rote Zahlen schrieb. Die Finanzen, so eine der häufigsten Erklärungen, die heutzutage für das Ende der Beatles hervorgeholt werden, erdrückten die Gruppe regelrecht. Während Paul McCartney mit dem Anwalt Lee Eastman seinen Schwiegervater als neuen Manager installieren wollte, plante John Lennon den windigen Geschäftsmann Allen Klein ins Boot zu holen. Lennon und der Rest der Band überstimmten McCartney, Klein übernahm im Februar 1969 die Geschäfte und führte erst einmal eine interne Säuberung durch. Paul widerten die Mafiamethoden Kleins an, und rückblickend wäre der weitaus seriösere Eastman wohl wirklich die bessere Wahl gewesen. So wurde Klein zum Sargnagel der zerstrittenen Truppe. Hinzu kam, dass George Harrisons Luxus-Bungalow Kinfauns im südenglischen Esher bei einer Drogenrazzia von der Polizei regelgerecht auseinandergenommen wurde. Tatsächlich wurde sie auch fündig. Die Presse hatte ihren nächsten Beatles-Skandal, den sie genüsslich ausschlachten konnte.
Der Druck auf die Band wurde immens, die Animositäten unter den Musikern – vor allem Lennon und McCartney arbeiteten sich immer heftiger aneinander ab – erreichten ein unerträgliches Maß. Und doch geschah in diesem vergifteten Klima etwas, das bis heute unerklärlich ist: Die musikalische Magie, die beim „Let It Be“-Projekt verloren schien (auch wenn das eine maßlose Übertreibung ist, würden doch etliche Bands für einige der dort entstandenen Songs töten), kehrte wie von selbst und vielleicht gerade in Anbetracht des endgültigen Zerwürfnisses zurück.
Dieser Prozess begann am 14. April 1969, als sich Lennon und McCartney in den Abbey Road Studios mit George Martin trafen. Lennon hatte einen Song über die abenteuerliche Odyssee seiner Hochzeit mit Yoko geschrieben, die das Paar innerhalb kürzester Zeit einmal quer durch Europa geführt hatte. Wie üblich konnte er es kaum erwarten, seine neuen Ideen aufzunehmen. Eigentlich hatten die Beatles für den 16. April bereits eine Session verabredet, doch John wollte den Track sofort ausprobieren. Da Ringo mit Dreharbeiten beschäftigt war und George im Ausland war, fragte John kurzerhand Paul, ob sie beide nicht schnell alleine „The Ballad Of John And Yoko“ einspielen könnten. Zehn Wochen waren da seit dem Ende des „Let It Be“-Abenteuers vergangen; in dieser Zeit hatten beide geheiratet, und John und Yoko hatten zudem ihre „Bed-Ins for Peace“ inszeniert. Trotz der unübersehbaren Spannungen arbeiteten Lennon und McCartney hervorragend zusammen, wie die verschiedenen Takes, bei denen auch viel gescherzt wurde, beweisen. John spielte Gitarre und sang, Paul saß zunächst am Schlagzeug, später fügten sie Overdubs hinzu, George Martin produzierte.