Vor dreißig Jahren veröffentlichten der ehemalige Japan-Sänger/-Gitarrist David Sylvian und die CAN-Legende Holger Czukay mit „Plight & Premonition“ ein Gemeinschaftsalbum, dessen Experimentiergeist noch heute verblüfft. Ein Jahr später ließen sie mit „Flux + Mutability“ eine weitere Zusammenarbeit folgen. Nun legt das deutsche Label Grönland ihre abenteuerlustigen Arbeiten neu auf. David Sylvian schildert die Entstehungsgeschichte.
Holger Czukay, Mitbegründer von CAN, einer der avantgardistischsten, experimentellsten und renommiertesten deutschen Rockbands, starb 2017 im Alter von neunundsiebzig Jahren. Er wurde tot im CAN-Studio bei Köln aufgefunden. Dort, wo er zeitlebens seinem enormen musikalischen Forscherdrang nachging und wohin er dreißig Jahre zuvor den damals selbst nicht mal dreißigjährigen David Sylvian einlud. Dieser erinnert sich: „Holger und ich standen in den Achtzigerjahren in ständigem Kontakt. Daher kam Ende 1986 seine Einladung ins Kölner Studio nicht überraschend. Ich sollte ein paar Vocals zu ‚Music In The Air‘, dem letzten Track auf Holgers nächstem Album ‚Rome Remains Rome‘, beisteuern.“
Dies war nicht die erste Zusammenarbeit von Sylvian und Czukay, denn schon auf den ersten Sylvian-Soloalben „Brilliant Trees“ (1984) und „Alchemy: An Index Of Possibilities“ (1985) lieferte Czukay einige Beiträge.
„Es war bereits abends, als ich in Köln ankam, und es war eine kalte Winternacht“, erinnert sich David Sylvian. „Ich wurde in einer kleinen, deprimierenden Pension unweit des Studios untergebracht. Holger und ich aßen noch etwas und sprachen über die Aufnahmen am kommenden Tag.“ Doch es sollte anders kommen, denn die Beiden machten nach dem Restaurantbesuch noch einen – im Nachhinein folgenschweren – nächtlichen Abstecher ins CAN-Studio. Sylvian: „Es war das erste Mal, dass ich das Studio betrat. Ein baufälliges, verlassenes Kino. Die Wände, der Boden und die Decke waren mit Matratzen verkleidet. Kontroll- und Aufnahmeraum waren nicht voneinander getrennt.“
Während der Brite die Geschehnisse rekapituliert, sprudeln die Details aus ihm heraus. Ein Zeichen dafür, wie sehr ihn die damalige Zusammenarbeit geprägt hat. Zwischen Czukay und Sylvian stellte sich in dieser Nacht spontan eine kreative Magie ein. „Es gab dort einen Haufen Instrumente, auch ein Harmonium. Ich mochte den Sound des Harmoniums schon immer, hatte aber nie zuvor die Gelegenheit, eines zu spielen. Ich setze mich an das Instrument, spielte ein paar Drones. Nach einiger Zeit hörte ich verschiedene Orchestersamples, die den Raum erfüllten. Ich verfiel in Trance und spielte immer weiter zu diesen ätherischen Klängen.“