1973 waren Emerson, Lake & Palmer längst etablierte Superstars. Die drei angesehenen Musiker hatten sich in ganz jungen Jahren bei The Nice, King Crimson und Atomic Rooster erste Sporen verdient. Als Band war ihr Stern drei Jahre zuvor beim Isle-Of-Wight-Festival aufgegangen. Von da an wurden ELP, denen der Ruf als erste Supergroup vorauseilte, regelrecht gehypt, auch wenn sie extrem polarisierten. Während sie die einen wegen ihrer Virtuosität und ihres künstlerischen Anspruchs als innovative Pioniere feierten, die Rock mit Jazz und Klassik versöhnten, warfen andere ihnen Größenwahn, verblasenes Pathos und überbordenden Bombast vor. Das Debütalbum mit dem wahrlich nicht repräsentativen Hit „Lucky Man“, die Platten „Trilogy“ und „Tarkus“ sowie die gewagte wie famose Mussorgski-Adaption „Pictures At An Exhibition“ waren zwar sperrig, aber allesamt erfolgreich. Sie hatten den Ruhm der Gruppe gemehrt, die nach eigenen Worten mehr eine Interessengemeinschaft war als eine Band. Gegenüber eclipsed räumte Greg Lake noch kürzlich ein: „Richtige Freunde waren wir nie“.
Finanzielle Unabhängigkeit für weitere Experimente
Der frühe Ruhm brachte ELP vor allem finanzielle Unabhängigkeit, mit der sie sich ihre künstlerische Freiheit erkauften. In ihrer Anfangszeit hatten sie sich geschworen, etwas komplett Neues, Unerhörtes zu schaffen und sich von niemandem davon abbringen zu lassen. So verließen ELP 1973 ihre Plattenfirma Island und gründeten ihr eigenes Label Manticore. Im Laufe der Jahre hatte sich intern mehr und mehr Keith Emerson mit seiner Vorliebe für komplexe Songstrukturen, Jazz- und Klassikeinflüsse durchgesetzt und die grobe Linie vorgegeben. Lake, der „einfacher“ dachte, ging diesen Weg mit, auch wenn er dies bisweilen bedauerte. So ist er noch heute davon überzeugt, dass seine Akustikballade „Still… You Turn Me On“ wie zuvor „Lucky Man“ ein Welthit geworden wäre, hätten nicht Emerson und Palmer ihr Veto gegen eine Auskopplung eingelegt.
Lake fügte sich, und so fand die Entwicklung auf der neuen LP ihre logische Fortsetzung. Anders als noch bei „Trilogy“, das mit vielen Overdubs eingespielt worden war, sollte das Material diesmal livefähig sein. Um dies zu gewährleisten, kaufte die Band kurzerhand ein Kino in Fulham, wo fortan die Sessions stattfanden. Im Mai hatte das Trio in Paris bereits eine Woche im Studio zugebracht, nun erfolgte der Feinschliff. Palmer erinnert sich: „Wir haben mehr Zeit und Energie in dieses Album gesteckt als in jede andere Platte. Nichts ging schnell. Es war ein wirklich sehr mühsamer, komplizierter Prozess – ein bisschen so, als würdest du Ziegel für Ziegel ein Haus bauen, und wenn du eine Wand endlich fertig hast, stürzt sie dir wieder ein.“ Im Rückblick sieht er ELP 1973 auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft: „Wir haben diese Bandphase nie mehr getoppt. Ich denke, wenn man ein Album herauspicken müsste, das man als unser ‚Meisterwerk‘ bezeichnen soll, dann wäre es ‚Brain Salad Surgery‘. Für mich war es unser Sgt.-Pepper-Moment.“
Das sah auch der im März verstorbene Keith Emerson so: „Wir merkten, dass wir Zeit brauchten, um uns darüber klar zu werden, was wir wirklich wollten. Und ich denke, es hat sich gelohnt, da viele ‚Brain Salad Surgery‘ zum Besten zählen, was wir je gemacht haben.“ Diese Einschätzung ist umso erstaunlicher, als bei diesem Werk kaum jemand je von einem homogenen Album gesprochen hat – auch nicht die Musiker selbst. Denn es vereint scheinbar Unvereinbares, nämlich fünf Tracks, die unterschiedlicher kaum sein könnten.