FISH - Ein Fisch auf dem Trockenen

21. Mai 2022

Fish

FISH - Ein Fisch auf dem Trockenen

Trotz Corona-bedingter Tourpause und der damit verbundenen wiederholten Verschiebung seiner geplanten Rente zeigt sich Fish derzeit äußerst aktiv. Nicht nur hat er endlich einen EU-Ableger seines Onlineshops eröffnet, in dem die teuren Zollgebühren umgangen werden können, verschiedene Reissues seiner Alben in der Warteschleife und ein neues Livealbum veröffentlicht. Auch sein Webcast „Fish on Friday“ läuft sehr erfolgreich, und dann sind da auch noch die Pläne für eine Autobiografie. Es gibt also viel zu besprechen.

Gewohnt tiefenentspannt sitzt der Schotte in seinem mittlerweile von „Fish on Friday“ allseits bekannten Wohnzimmer und nippt genüsslich an einer braunen Flüssigkeit, die auffällig nach einem süffigen Stout-Bier aussieht. Fragen lässt er zunächst gar nicht zu, weil er sich in einen seiner unterhaltsamen Monologe hineinsteigert, für die man ihn so schätzt. Wen man ihn aber erst einmal eingefangen hat, steht er wie immer offen und gewitzt Rede und Antwort …

eclipsed: Fish, nun haben wir bereits 2022, und deine seit Jahren angekündigte Rente hast du immer noch nicht angetreten … und jetzt hast du zunächst jegliche Tour-Aktivitäten auf 2023 verschoben.

Fish: Ja, und ich bin mir auch nicht sicher, ob es dann klappen wird. Man kann in dieser Welt immer schlechter planen: Brexit, Corona, vor einigen Wochen war die Ukraine noch ein stolzer eigenständiger Staat – und schau, was jetzt passiert ist. Gerade im Hinblick auf diese schwerwiegenden Ereignisse lasse ich mich jetzt wegen meiner Abschiedstour aber nicht mehr aus der Ruhe bringen. Sollte es jedoch was werden, ist der neue Plan, all jene Clubs in Europa abzuklappern, die mir im Laufe meiner langen Karriere viel bedeutet haben, und dort jeweils an zwei aufeinanderfolgenden Abenden zu spielen, mit komplett verschiedenen Setlists. Das würde mir große Freude bereiten. Doch wenn nicht: Ich habe genug anderes zu tun.

eclipsed: Warum hast du denn entschieden, dass 2022 keine Tournee stattfinden wird? Es sieht ja derzeit danach aus, als ob es ginge …

Fish: Ja, aber mit so vielen Unwägbarkeiten will ich nicht planen. Ich kann mich gegen all die Eventualitäten nicht versichern. Gerade gestern habe ich mit Nick Barrett von Pendragon telefoniert, nachdem ich las, dass er seine Tour sogar abgesagt hat, was ihn eine Stange Geld kosten wird. Aber er meinte, allein für Coronatests habe er insgesamt einen fünfstelligen Betrag einkalkulieren müssen! Da bin ich froh, diesen Wahnsinn nicht mitzumachen, so gern ich auf der Bühne stehe. Ein Beispiel: Du darfst nur mit den Leuten im Tourbus reisen, die du vorher offiziell angemeldet hast. Wenn mein Gitarrist jetzt ausfällt, mit Corona oder sonst irgendwas, dann kann ich keinen Ersatzgitarristen verpflichten, weil der nicht mit uns im Tourbus reisen darf! Was für ein Wahnsinn. Und da haben wir von Brexit-Regulierungen noch gar nicht gesprochen! Ich finde Corona-Regelungen allerdings insgesamt wichtig, wir haben in Großbritannien viel zu früh gelockert. Ich mache mir vor allem Sorgen wegen meiner Mutter, die Ende 90 ist …

eclipsed: Zumindest dem Brexit konntest du ein Schnäppchen schlagen und hast einen Webshop in der EU, genauer gesagt in den Niederlanden, eingerichtet. Bist du erleichtert?

Fish: Das kann man wohl sagen. Der Brexit hat alles kaputtgemacht, nicht nur für Künstler, sondern auch für Kleinunternehmer. Die Verkäufe meines Webshops sind um 50% zurückgegangen, und ich verstehe das auch; welcher Fan will schon horrende Zollgebühren bezahlen? In Kombination mit Corona war das fast der Todesstoß. Normalerweise hätte ich gesagt: Okay, du spielst eh viele Gigs, und dann kannst du die Sachen ja auch auf den Konzerten verkaufen. Aber wenn die auch noch wegfallen, bleibt nicht mehr viel übrig! Und das Schlimmste daran ist – entschuldige, wenn ich mich so in Rage rede, aber ich kann nicht anders –, dass wir Schotten mit einer überwältigenden Mehrheit diesen Brexit gar nicht wollten und beim eigenen Unabhängigkeitsreferendum ein paar Jahre zuvor nur deswegen knapp für „Nein“ gestimmt haben, weil wir gerade NICHT aus der EU fliegen wollten. Jetzt sind wir immer noch Briten und trotzdem nicht in der EU …

eclipsed: Dein aktuelles Produkt, dass du jetzt ja entspannt in die EU ausliefern kannst, ist eine sehr schöne CD/DVD mit dem Titel „The Last Straw“ vom Abschlusskonzert deiner Tour 2018 in Glasgow …

Fish: Ja, es war ein besonderes und sehr gelungenes Konzert, obwohl man am Ende einer solchen Tour ja eher ausgelaugt ist. Aber Band und Publikum waren bestens drauf, und obwohl wir jeden Gig der Tour mitgeschnitten haben, wusste ich, dass es dieser sein muss. Calum Malcolm hat das super abgemischt und auch nichts verändert oder hinzugefügt; nur ein paar Keyboard-Passagen waren etwas verzerrt, die mussten erneuert werden. Insgesamt aber ein tolles, repräsentatives Dokument dieser auch wirklich hervorragenden Tour, an die ich mich sehr gern erinnere.

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