Die Lust am Musikmachen war Chris Peters in der letzten Zeit mit seiner alten Band Samsara Blues Experiment fast vergangen. Im XXL-Interview erzählt er, wie sein Umzug nach Brasilien und das Leben auf dem Lande bei tropischen Temperaturen seine Kreativität geradezu beflügelt haben.
eclipsed: Chris, wie gestalteten sich die Arbeiten am neuen Album „Luz e Sombra“?
Chris Peters: Seit Anfang 2021 arbeite ich eigentlich relativ kontinuierlich an neuen Ideen. Ich habe mir in den letzten zwei Jahren ein gemütliches kleines Homestudio hier aufgebaut, wo ich prinzipiell jeden Tag von mittags bis spät abends Musik machen kann. Und dabei eben v.a. mit der Möglichkeit immer auch alles sofort aufnehmen und weiter ausarbeiten zu können, was ein riesiger Vorteil ist im Vergleich zu den Proberaum- und Bandsituationen vorher, wo ich wesentlich inflexibler, aber z.B. manchmal auch etwas befangen war. Es ist schon was anderes, wenn man seine Ideen manchmal so nackig in den Raum wirft und dann jedes Mal zunächst hoffen muss, dass es die anderen in der Band auch mögen, als wenn man halt einfach selbst mal einen Song machen kann, egal was jemand sonst darüber denkt. Das war ja auch eines der großen Probleme für mich am Schluss in der Band, insgesamt zu viel über Musik und alles andere in dem Zusammenhang nachzudenken. Was z.B. bedeutet Erfolg?! Im Moment versuche ich v.a. wieder so viel wie möglich Spaß an der Sache zu haben, die Lust am Musikmachen war bei mir mit Samsara Blues Experiment fast gänzlich verschwunden. Während ich mich jetzt manchmal wieder so fühle wie ganz am Anfang in meiner Jugend, als ich mich für Rockmusik etc. noch richtig begeistern konnte. Das neue Album „Luz e Sombra“ hat dann irgendwann im Frühling (bzw. hier war Herbst) letzten Jahres erste Konturen angenommen, eigentlich ziemlich direkt im Anschluss an die vorhergehenden Songs. Ich lerne immer noch täglich neue Dinge zu den für mich neuen Instrumenten (Bass- und Rhythmusgestaltung), und beim Ausarbeiten der Songs (Mix & Mastering). Hochgradig spannend und bei jedem Song irgendwie neu! Ich glaube, ich traue mich langsam auch mehr beim Gesang, was halt auch einfacher ist, wenn niemand sonst um einen herumwuselt. Das fand ich im Studio mit Samsara teils echt schwierig, bis unmöglich etwas mehr zu experimentieren, wenn man z.B. nur ein paar wenige Tage für Gesangsaufnahmen gebucht hat.
eclipsed: Inwiefern hat Dich Dein neues Leben in Brasilien bei der Arbeit beeinflusst?
Peters: Mich hat wohl die gewisse „Isolation“, in der ich hier lebe mit am stärksten beeinflusst. Ich kam im Oktober 2020 hier an. Die meisten werden sich wohl noch an diese Zeit erinnern. Es machte, nachdem die Grenzen dann endlich wieder für einen Moment offen waren, einfach Sinn, Berlin und auch Deutschland erstmal zu verlassen. Hier in Brasilien gab es dann zwar auch Lockdowns etc., aber es war alles eigentlich sehr viel entspannter und ich hatte plötzlich sehr viel mehr Zeit, um eben z.B. zu lernen, wie man seine Songideen richtig aufnimmt und ausarbeitet. Das hätte ich vorher in dem Rahmen von Samsara, zwischen Konzerten und meinen ganzen organisatorischen Aufgaben, so nicht lernen können. Hier konnte ich mich also richtig in verschiedene Dinge vertiefen, z.B. auch endlich einmal meinen Gitarrensound etwas besser zu justieren, damit war ich bei SBE tatsächlich sehr selten zufrieden. Ich kann auch nicht genau sagen, woran es genau liegt, aber ich habe hier in Brasilien wirklich meine Liebe zur Gitarre neu entdeckt, welche in Berlin fast versiegt wäre. In Berlin waren zuletzt wirklich nur noch Synthesizer für mich interessant, aber das hat sich hier wieder sehr verändert. Die Brasilianer sind auch ziemliche Gitarren-Nerds. Hier sieht man Dinge, die ich aus Deutschland vorher gar nicht kannte, z.B. ein echter Kult um Dumble Amps, eine fast unüberschaubar große heimische Pedalbuilder-Szene und ähnliche Spezialthemen.
eclipsed: Auf der Bandcamp-Seite schreibst Du, dass Du Dich auf „Luz e Sombra“ hier wieder mehr mit Deiner Gitarrenseite und härterem Rock beschäftigst. Kannst Du das näher ausführen?
Peters: Na, ich denke man kann es hören, wenn man die Alben „A New Dimension“ und „Luz e Sombra“ direkt vergleicht, so ist ersteres noch ein gutes Stück weiter gestreut zwischen allen möglichen Genre-Einflüssen (u.a. Folk, Kraut-Elektronik etc.) gewesen. Ich gebe mir auch weiterhin keine konkreten Vorgaben, hab halt generell Bock auf vieles, aber verzerrte Gitarre und Riffs fetzen schon auch. Und beim nächsten Mal kommt evtl. sogar noch mehr davon aufs Album, mal sehen. Ich merk auch, dass sich viele frühere (SBE-) Fans das wünschen. Ich denke, es geht schon alles wieder in die richtige Richtung. Ich brauchte wohl nur wirklich so eine Zeit der Neufindung!
eclipsed: Auf welche Songs bis du besonders stolz?
Peters: Anfangs war ich v.a. von „Thereʼs No Escape“ und „Luz e Sobra“ am meisten geflasht. Es fühlt sich manchmal schon extrem gut an, wenn man „seine eigene Band“ sein kann. Witzig hierbei irgendwie auch, wie die beiden Songs sich von ganz minimalen Ideen zu diesen Longtracks entwickelt haben, und dass, obwohl ich derzeit wirklich eher wenig Lust auf Langatmigkeit habe. Mir gehtʼs wohl am ehesten gerade um „gutes Songwriting“ und auch um eine gewisse „catchiness“ und da finde ich z.B. „Wake Them Up“ insgesamt als einen meiner wohl besten Titel. Aber letztlich kann und will ich hier nicht alles zerpflücken. Es wird sich zeigen, ob und wie sich jemand davon angesprochen fühlt. Es ehrt mich sehr, wenn Leute schreiben, dass sie meine Musik beeindruckt hat, sie zu positiven Dingen in ihrem Leben anspornt, oder sie gar eigene Bands gründen. Ich bekomme auch relativ viele nette persönliche Nachrichten von Fans, was mich anspornt weiterzumachen, und vielleicht auch mal wieder den Gang auf die Bühnen wagen lässt.
eclipsed: Apropos Leben in Brasilien: Wie gestaltet sich das für Dich, auch speziell für Dich als Musiker? Wo und wie lebst Du Dein neues Leben? Gab es für Dich als Auswanderer besondere Erlebnisse, vielleicht witzige, skurrile? Wie ist das mit dem Erlernen der Sprache gewesen?
Peters: Ich bin im Oktober 2020 hier mit meiner Frau zusammengezogen, nachdem wir vorher fast drei Jahre eine Fernbeziehung geführt hatten. Manches gleicht ein bisschen an ein kitschiges „Wunder“, am Ende holt einen aber trotzdem auch immer der Alltag ein. Will sagen, man stelle sich das alles nicht so leicht vor: Brasilien und Deutschland sind wirklich zwei komplett unterschiedliche Welten. Ich konnte anfangs eigentlich gar kein Portugiesisch, habe das erst in den Jahren hier erlernt und bin immer noch eher am Anfang, aber hier sprechen die wenigsten Englisch, es ist also ein absolutes Muss die Sprache zu lernen. Witzigerweise war ich am Anfang unserer Beziehung eine Art Englischlehrer für meine Frau, und nun ist sie meine Lehrerin. Wir wohnen hier relativ weit im Land, etwa 300 Kilometer südlich von Belo Horizonte, was hier in Brasilien eine Hochburg für Rock und Metal ist. Das Leben ist eher einfach, es gibt relativ wenig Ablenkung und das tropische Klima ist für Europäer meist eher grenzwertig - was wiederum wohl alles Gründe dafür sind, dass ich sehr viel Zeit mit Musikmachen verbringen kann. Also im Outdoorbereich geht hier tagsüber meist so gut wie nichts, es sei denn man fährt zu einem der zahlreichen Wasserfälle, um sich mal abzukühlen. Es ist schon irgendwie ein verrücktes Leben hier, und auch alles oft immer noch irgendwie verwunderlich für mich selbst. Noch für fünf Jahren hätte ich es mir kaum vorstellen können, aber die Irrungen und Wirrungen der Corona-Zeit haben es mir irgendwie sehr leicht gemacht „auszuwandern“. Was ich richtig cool hier finde, ist der Erfindungsreichtum der Brasilianer. Durch die extrem hohen Importzölle sind z.B. sämtliche Instrumente und musikalischen Gerätschaften hier um ein Vielfaches teurer als in Europa, stattdessen gibt es aber zahlreiche kleine heimische Unternehmen, die ich auch hundertmal lieber unterstütze als mir irgendwelche Sachen „von der Stange“ zu kaufen. Zumal man mit allen Leuten hier jederzeit problemlos über Whatsapp chatten kann. Im Moment warte ich z.B. gespannt auf einen Verstärker, der für mich gebaut wurde, und ein neues Fuzz-Pedal...
eclipsed: Es klingt in dem kleinen Infotext so, als wäre Fuzz Sagrado eine Möglichkeit – du schreibst Vehikel – um Dich kreativ auszudrücken. Heißt das, dass Du andere Projekte fortführst/wiederaufleben lässt oder neue ins Leben rufst?
Peters: Ja im Moment habe ich auch immer noch mein anderes Soloprojekt Surya Kris Peters, was dann noch mehr Synthesizer-Sounds erkundet. Diese andere Leidenschaft ist zwar etwas in den Hintergrund getreten, aber definitiv auch noch vorhanden, und dort mach ich dann wohl auch vornehmlich nur instrumentale Musik. Ich plane damit z.B. noch ein Album für dieses Jahr! Davon ab bin ich auch für Kollaborationen offen. Ich habe gerade zwei Songs zusammen mit einem langjährigen Bekannten aus einer sehr bekannten deutschen Szeneband gemacht, darauf bin ich sehr gespannt. Ich glaube das wird ziemlich cool. Am meisten genieße ich es aber, täglich wieder meine Gitarre in die Hand zu nehmen und für mich selbst zu dudeln, zu meinen alten Vorbildern Iommi, Hendrix, Trower etc. Einfach Spaß haben, darum sollte es in der Musik in erster Linie gehen.
eclipsed: Was sind Deine Pläne für die (nähere und fernere) Zukunft?
Peters: Ich will in diesem Jahr gucken, wie und ob ich Mitmusiker für Konzerte finden kann. Ich schwebe da grad noch ein wenig zwischen den Stühlen, einerseits vermisse ich es live zu spielen, manchmal denke ich hingegen auch, dass es eventuell doch vorbei ist mit „der wilden Zeit“? Ich neige halt auch sehr zur Gemütlichkeit, und es gibt schon auch so viele gute Musiker ansonsten. Manchmal vergrab ich mich da eventuell zu sehr in mir und meinen Gedanken. Es wird sich zeigen! Ich habe jedoch schon einen ziemlich coolen Kontakt zu einem geschätzten Mitmusiker aus einer weiteren bekannten deutschen Szeneband, mit dem ich zumindest wohl einmal ein bisschen jammen werde. Ansonsten steht wie gesagt ein Album mit dem Surya Kris Peters-Projekt an. Ich hoffe einfach, dass ich weiterhin auf meiner aktuellen Euphoriewelle bleibe. Es gibt auch trotzdem nicht selten Momente, in denen ich mich frage, warum ich überhaupt weiter machen sollte, weil ich mit SBE ja auch schon viel mehr erreicht habe, als ich jemals zu träumen wagte - es wird sich zeigen was passiert. Hier sagt man: „Se Deus quiser“ (Wenn Gott will).
* * * Interview: Julia Vetter